EINBÜRGERUNGSREFORM © Migazin ... Klick
______________________________________________________________
GEISTERDEBATTE
Faesers Pläne für leichteres Einbürgern weiter in der Diskussion
Die Unionsparteien laufen Sturm gegen die Pläne von Bundesinnenministerin Faeser, Einbürgerungen zu erleichtern. Herrmann ist gegen „automatische“ Einbürgerungen, auch wenn das nicht geplant ist. Und ausgerechnet Djir-Sarai, gebürtiger Iraner und Generalsekretär des Koalitionspartners FDP, zeigt sich skeptisch.
Montag, 28.11.2022
Die Pläne des Bundesinnenministeriums zu leichteren Einbürgerungen in Deutschland stoßen auch in der Ampel-Koalition auf Vorbehalte. „Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft wird es mit der FDP nicht geben“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, sagte, die Migration müsse in den Arbeitsmarkt gelenkt werden und nicht in die sozialen Sicherungssysteme. Unterdessen bekräftigten Politiker von CSU und CDU ihre Kritik an den Gesetzesplänen.
Der in Theran geborene FDP-Generalsekretär Djir-Sarai sagte der „Rheinischen Post“, für die vor einem Jahr zwischen SPD, Grünen und FDP vereinbarten Änderungen sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. „Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration“, nannte er der gebürtige Iraner als Begründung, ohne den Zusammenhang zur Einbürgerung auszuführen. Die Ampel-Koalition dürfe „den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen“. Zudem sei die Verleihung der Staatsangehörigkeit „das Ergebnis einer gelungenen Integration in die deutsche Gesellschaft. Sie darf nicht am Anfang des Integrationsprozesses stehen“, argumentierte Djir-Sarai.
Grüne weisen FDP-Kritik zurück
FDP-Fraktionschef Dürr sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wer hart arbeitet und gut integriert ist, soll die Möglichkeit bekommen, Deutscher zu werden. Wer sich nicht integrieren will, muss das Land wieder verlassen. Beides gehört zusammen.“ Die Krux: Faesers Gesetzespläne sehen keine Einbürgerung von integrationsunwilligen Personen vor.
Filiz Polat, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, wies die Kritik aus der FDP zurück. Sie verwies am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“ auf den Koalitionsvertrag, in dem zusammen mit der FDP ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ vereinbart worden sei.
Einbürgerung nach fünf statt acht Jahren möglich
Nach den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sollen die Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zur Möglichkeit der Einbürgerung von acht auf fünf Jahre verringert und Sprachanforderungen für bestimmte Gruppen reduziert werden. Zudem soll künftig hingenommen werden, wenn Menschen mehrere Staatsbürgerschaften haben.
SIEHE AUCH
HAMBURGNeue Einbürgerungskampagne bis in das Klassenzimmer
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht indes keinen Grund für erleichterte Einbürgerungen in Deutschland. „Selbstverständlich brauchen wir qualifizierte Zuwanderung“, sagte Herrmann am Montag im Deutschlandfunk. Aber am Beginn der Zuwanderung stehe nicht der deutsche Pass, sondern er sei das Ergebnis einer erfolgreichen Integration.
Herrmann gegen „automatische“ Einbürgerung
Herrmann sagte: „Nicht jeder, der seit Kurzem in unserem Land lebt, kann automatisch deutscher Staatsbürger werden.“ Er müsse gut integriert sein, die Sprache sprechen und „von eigener Hände Arbeit leben können“. Auch Herrmann führte nicht weiter aus, aus welchem Gesetzesplan sich eine automatische Einbürgerung ergibt.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte der „Rheinischen Post“, es müsse weiter gelten: „erst Integration, dann Staatsbürgerschaft“. Der deutsche Pass dürfe nicht entwertet werden. (epd/mig)
______________________________________________________________
Kürzerer Aufenthaltsdauer, weniger Sprachkenntnisse, mehr Doppelpass
Die Bundesregierung will die Einbürgerung reformieren: Verkürzung der Aufenthaltsdauer, Reduzierung der Sprachanforderungen, Hinnahme von mehrere Staatsbürgerschaften. Kritik kommt von den Unionsparteien. SPD mahnt, nicht wieder in das Jahr 1998 zurückzufallen.
Sonntag, 27.11.2022
Die Pläne der Bundesregierung, das Einbürgerungsrecht zu reformieren, werden unterschiedlich bewertet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner wöchentlichen Videobotschaft „Kanzler kompakt“, dass Deutschland bessere Regeln für die Einwanderung brauche. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland begrüßt die Pläne. Kritik kommt dagegen von der Union. Am Freitag wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium die im Koalitionsvertrag vereinbarten Erleichterungen bei Einbürgerungen auf den Weg bringt.
Bundeskanzler Scholz sagte in seiner Videobotschaft, dass Deutschland seit Jahrzehnten für viele Menschen ein Land der Hoffnung sei: „Frauen und Männer, die nach Deutschland eingewandert sind, haben viel dazu beigetragen, dass die Wirtschaft so stark ist.“
Faeser verteidigt Reformpläne
Kritik an den Reformplänen formulierte dagegen die Union. Der Landesgruppenvorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, sprach im Boulevardblatt „Bild“ am Samstag in Berlin von einem „Verramschen“ der deutschen Staatsbürgerschaft. Dies fördere nicht die Integration, „sondern bezweckt geradezu das Gegenteil und wird zusätzliche Pulleffekte bei der illegalen Migration auslösen.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Stefan Heck ergänzte in dem Blatt, dass die inflationäre Vergabe deutscher Pässe „enormen sozialen Sprengstoff“ berge. Dobrindt und Heck forderten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
Faeser jedoch hat ihre Pläne gegen Kritik verteidigt. Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mache die Bundesregierung die Einbürgerung einfacher und passe das Recht an die Lebenswirklichkeit vieler Menschen an, schrieb Faeser in einem Gastbeitrag im Berliner „Tagesspiegel“. Faeser verteidigte auch die Abkehr von dem Grundsatz, Mehrstaatigkeit zu vermeiden. Faeser führte aus, dass die bisherige Praxis die Einbürgerung von vielen Menschen verhindere, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebten und hier zu Hause seien. Zugleich warnte sie in der Diskussion vor Ressentiments. Es habe viele Menschen „tief verletzt“, dass die Debatten in der Vergangenheit häufig von „Stimmungsmache“ geprägt gewesen seien. Das werde einem modernen Einwanderungsland nicht gerecht.
Demir: Nicht zurückfallen ins Jahr 1998
Auch SPD-Bundestagsabgeordneter Hakan Demir erinnerte im Kurznachrichtendienst Twitter auf die von initiierte Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber Kampagne von CDU und CSU im Jahr 1998. Sie stand unter dem Motto „Ja zu Integration – Nein zu doppelter Staatsangehörigkeit“, artete aber zu einer Unterschriftenkampagne gegen Türken und Ausländer aus. „Wir dürfen nicht auf das Niveau der Unterschriftenkampagne vor mehr als 20 Jahren zurück, als es hieß. ‚Wo kann ich gegen Ausländer unterschreiben?‘“, schreibt Demir im Twitter.
Es sei ein Anliegen der Koalition, das Staatsangehörigkeitsrecht für die heutige vielfältige Einwanderungsgesellschaft zu modernisieren, sagte der Sprecher von Faeser am Freitag in Berlin. Laut dem Gesetzesentwurf für eine Reform des deutschen Staatsbürgerrechts sollen die Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zur Möglichkeit der Einbürgerung verkürzt, Sprachanforderungen für bestimmte Gruppen reduziert und künftig hingenommen werden, wenn Menschen mehrere Staatsbürgerschaften haben. Wie ein Sprecher am Freitag in Berlin sagte, wird in Kürze ein entsprechender Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung gehen.
Antidiskriminierungsbeauftragte begrüßt Reformvorhaben
Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, würdigte hingegen das Vorhaben einer Reform: „Hürden abzubauen ist kein Ramschangebot, sondern ein Angebot zu Teilhabe und ein wichtiger Demokratiebooster in einem modernen Rechtsstaat“, erklärte Ataman am Sonntag in Berlin. „Bisher klafft leider eine große Lücke zwischen Wohnbevölkerung und Wahlberechtigten: Millionen Menschen leben seit Jahren in Deutschland und sind von politischer Teilhabe ausgeschlossen.“ Diese Lücke zu schließen, müsse Anliegen jedes demokratischen Gemeinwesens sein.
SIEHE AUCH
FLÜCHTLINGSPOLITIKFaeser setzt auf „Koalition der Willigen“ bei EU-Asylsystem
LOB AUS BRÜSSELEU-Kommission begrüßt Vorschlag einer „Koalition der Willigen“
Auch der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat begrüßte die Eckpunkte der Reform – jedoch mit Vorbehalt. „Entscheidend für den Erfolg dieser Reform wird auch die Schaffung von nötigen Rahmenbedingungen sein“, teilte der Vorsitzende Memet Kılıç am Sonntag in Berlin mit. Um Einbürgerung tatsächlich zu erleichtern, brauche es mehr als rechtliche Schritte. „Menschen ist nicht geholfen, wenn sie rechtlich nach kürzerer Zeit eingebürgert werden können, das Verfahren jedoch wegen Personalknappheit Jahre dauert. Das ist vielerorts gegenwärtig leider der Fall.“ Nötig sei deshalb ein Personalausbau in den Einbürgerungsbehörden. Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) ist der Bundesverband der kommunalen Integrations- und Ausländerbeiräte.
Türkische Gemeinde begrüßt Reform
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, äußerte sich positiv über die von der Bundesregierung geplante Reform. Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht entspräche nicht mehr der Realität unserer Tage, sagte Sofuoglu dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ in Berlin. Außerdem gehe es darum, eine gewisse Gleichstellung zu erreichen und damit mehr Menschen politische Partizipation zu ermöglichen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, äußerte sich positiv zum aktuellen Reformvorhaben: „Wer zum Arbeiten nach Deutschland kommt, muss auch eine Chance auf dauerhafte Integration in unsere Gesellschaft haben“, sagte er der Zeitung. Deutschland stehe in einem internationalen Wettbewerb um Arbeitskräfte. „Wenn wir da mithalten wollen, müssen wir runter von unserem hohen Ross und Steine aus dem Weg räumen.“ (epd/mig)