© UNHCR/Xavier Bourgois

„Der Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden“, prognostizierte schon 2009 der damalige Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, António Guterres, auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen. „Der Klimawandel verstärkt den Wettstreit um die Ressourcen - Wasser, Nahrungsmittel, Weideland - und daraus können sich Konflikte entwickeln.“ 

 

Erderhitzung & Klimakrise als Fluchtursache

Die Klimakrise schreitet voran – und das in einer Geschwindigkeit, die die meisten Voraussagen der Wissenschaftler übertrifft. Viele Menschen haben bereits unter den Folgen des klimatischen Wandels gelitten und mussten ihre Heimat auf der Suche nach einem Neubeginn verlassen. 

Eine Folge des Klimawandels ist die Verdopplung der Naturkatastrophen in den letzten 20 Jahren. Bei fast jeder Naturkatastrophe, seien es Erdrutsche, Überschwemmungen, Taifune oder Hurrikans, müssen die Menschen aus ihren Häusern fliehen, manchmal sogar über Landesgrenzen hinweg. 

Laut einer Greenpeace-Studie von 2017 sind heute jedes Jahr 21,5 Millionen Menschen auf der Flucht, weil ihre Heimat durch den Klimawandel keine ausreichenden Lebensbedingungen mehr bietet. Es sind mehr als doppelt so viele, wie jedes Jahr durch Krieg und Gewalt in die Flucht getrieben werden. Der Klimawandel trifft die Länder besonders hart, die am wenigsten zur globalen Erwärmung beigetragen haben – die Entwicklungsländer. Besonders durch den steigenden Meeresspiegel wird Lebensraum in Künstenregionen und auf Inselstaaten bedroht. 

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Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hat heute in Berlin sein Jahresgutachten „Klimawandel und Migration: Was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt“ vorgestellt. Wir dürfen es Ihnen hiermit zukommen lassen.

In seinem 14. Jahresgutachten hat der SVR untersucht, wie der Klimawandel das globale, regionale und lokale Migrationsgeschehen beeinflusst und welche Erfordernisse sich hieraus für migrations- und flüchtlingspolitisches Handeln ergeben.

 

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen lauten:

 

  • Der menschengemachte Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: Er hat vielschichtige und für alle Lebensbereiche existenzielle Folgen – auch auf das Migrationsgeschehen: Der Klimawandel verschärft bereits vorhandene soziale, ökonomische oder politische Problemlagen und erhöht damit den Migrationsdruck. Klimawandelbedingte Migration wird den zugrundeliegenden Prognosen zufolge in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen. 
  • Klimawandelbedingte Migration findet in erster Linie inner- und zwischenstaatlich statt; d. h. es handelt sich v. a. um Binnenmigration oder um Migration zwischen direkt benachbarten Ländern. Die internationale Abwanderung über Kontinente hinweg ist bislang die Ausnahme. 
  • Risiken und Möglichkeiten, sich dem Klimawandel anzupassen, sind global höchst ungleich und ungerecht verteilt. Wirtschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Länder des globalen Südens sind aufgrund ihrer geografischen Lage sowie geringerer finanzieller Ressourcen besonders stark betroffen. Sie können sich z. B. Frühwarnsysteme, Katastrophenschutz und Wiederaufbaumaßnahmen weniger leisten als wirtschaftsstarke Länder, die für das Voranschreiten des Klimawandels historisch wie aktuell hauptsächlich verantwortlich sind. 
  • Migration im Kontext des Klimawandels sollte nicht ausschließlich als Problem verstanden werden. Sie kann eine sinnvolle Anpassungsstrategie sein. So tragen Rücküberweisungen an Angehörige dazu bei, gesunkene Einkommen auszugleichen. Zugleich gilt es, auch das „Recht zu bleiben“ zu stärken – durch einen besseren Klimaschutz ebenso wie durch Investitionen in Maßnahmen zur nachhaltigen Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
  • Um klimawandelbedingte Migration politisch verantwortungsvoll zu gestalten, empfiehlt der SVR, das gesamte migrationspolitische Instrumentarium zu nutzen. Dazu gehören im Falle einer plötzlichen Abwanderung Ansätze aus der Flüchtlingspolitik wie humanitäre Visa und temporäre Schutzgewährung. Als migrationspolitische Instrumente haben sich Arbeitsvisa oder Abkommen zur Personenfreizügigkeit bewährt.
  • Beim Umgang mit klimawandelbedingter Migration sind alle politischen Handlungsebenen gefordert – der nationalen Ebene kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Deutschland schlägt der SVR eine Kombination aus drei Instrumenten vor: den Klima-Pass, die Klima-Card und das Klima-Arbeitsvisum.
  1. Der Klima-Pass, ein Vorschlag des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen), den der SVR aufgegriffen und konkretisiert hat, sieht ein Daueraufenthaltsrecht vor. Er ist für Staatsangehörige von Ländern konzipiert, die durch den Klimawandel ihr gesamtes Territorium verlieren. 
  2. Die Klima-Card ist für Menschen gedacht, die ihr Land vorübergehend aufgrund starker Zerstörung verlassen müssen; wegen des breiteren Anwendungsbereichs ist dabei eine länderspezifische Kontingentierung erforderlich. Hier handelt es sich um einen befristeten Aufenthaltstitel nach dem Vorbild humanitärer Aufnahmeprogramme; parallel müssen im Herkunftsland Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden, damit perspektivisch eine Rückkehr möglich wird. 
  3. Mit dem Klima-Arbeitsvisum könnten Staatsangehörige bestimmter Staaten erleichterten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, um sich durch eine reguläre Migration neue Einkommensquellen und Perspektiven zu erschließen. Auch hier wäre ein Kontingent zu definieren. Der Aufenthaltstitel ist dabei nach dem Vorbild der Westbalkan-Regelung an das Vorliegen eines Arbeitsvertrags gekoppelt. 
  • Klimawandel, Flucht und Migration sind und bleiben weltweite Herausforderungen. Damit pragmatisch und vor allem schnell gehandelt werden kann, ist aus Sicht des SVR ein Mosaik aus lokalen, regionalen und nationalen Ansätzen besser geeignet als ein globales Instrument, das erst neu entwickelt und verhandelt werden müsste. Eine gute Grundlage bieten jedoch bereits vorhandene informelle Kooperationsrahmen etwa aus dem Globalen Migrationspakt oder regionale Abkommen zum Flüchtlingsschutz oder der Personenfreizügigkeit.

Die vom SVR empfohlenen Maßnahmen aus dem Spektrum der Migrationspolitik sind als Bausteine einer größeren Gesamtstrategie zu verstehen, zu der auch Maßnahmen etwa aus dem Bereich der Klimaaußenpolitik sowie der Entwicklungspolitik gehören. Ein koordiniertes Handeln über Ressortgrenzen hinweg ist dabei unabdingbar. Die Folgen des menschengemachten Klimawandels erfordern schließlich rasches Handeln auf allen politischen Ebenen und in vielen Politikfeldern, aber auch in Wirtschaft und Gesellschaft. Entscheidend wird sein, in welchem Maße und wie schnell es gelingt, den CO₂-Ausstoß weltweit zu begrenzen.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!

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