Humanität - Menschenrecht
Wo findet sich das denn im neuen Koalitionsvertrag?
-------------------------------------
Auswertung des Koalitionsvertrags 2025 von CDU, CSU und SPD
24. April 2025
In herausfordernden Zeiten, in denen sozialer Zusammenhalt und demokratische Stabilität mehr denn je gefragt sind, haben CDU, CSU und SPD einen Koalitionsvertrag für die kommende Bundesregierung erarbeitet. Das Fazit des Paritätischen Gesamtverbands fällt gemischt aus, es ist ein Vertrag mit Licht und Schatten: Zu den großen Verlierern des Vertrags gehören der Klimaschutz, der Schutz vor Armut und der Schutz von Geflüchteten.
Die Vorhaben enthalten erhebliche sozial- und asylpolitische Rückschritte und armutspolitische Leerstellen. Angekündigte Kommissionen in “systemrelevanten” Bereichen wie der Gesundheit und Pflege, in denen angesichts der drängenden Probleme und bereits vorliegender, rasch umsetzbarer Lösungsvorschläge auch aus dem Paritätischen Aufschub weder nötig noch angezeigt ist, lassen Zweifel aufkommen, ob die Regierungskoalition den Ernst der Lage erkannt hat. Eine Vision für ein künftiges Versorgungskonzept in der Gesundheit und Pflege ist ebensowenig erkennbar wie ein sozial- und gesellschaftspolitisches Programm, das geeignet ist, Armut und Ungleichheit spürbar zu verringern und Demokratie & Vielfalt gegen die Angriffe der rechtsextremen Demokratieverächter zu verteidigen.
Nachdem sich der Paritätische frühzeitig öffentlich mit den Organisationen solidarisiert hat, die Gegenstand einer kritischen Anfrage der CDU/CSU zur Finanzierung und Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen waren, enthält der Koalitionsvertrag immerhin ein Bekenntnis zu den gemeinnützigen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Dazu zählt auch die Fortführung des Bundesprogramms "Demokratie leben!", dessen Wirkung allerdings stärker überprüft werden soll. Wörtlich heißt es dazu in der Koalitionsvereinbarung: “Wir unterstreichen die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft. Die Unterstützung von Projekten zur demokratischen Teilhabe durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ setzen wir fort”.
Auch an anderen Stellen finden sich Lichtblicke und Erfolge. Besonders erfreulich ist, dass in noch weiteren Passagen des Vertrags die Bedeutung und Förderung der Zivilgesellschaft und gemeinnützigen Organisationen betont wird. Der Paritätische hatte sich dafür sehr stark eingesetzt. Die Stärkung der Freiwilligendienste, die geplanten Verbesserungen und die Verlängerung der Mietpreisbreme, das Recht auf Reparatur, die Fortführung der Psychosozialen Zentren und der Migrationsberatung – all das war nach dem Zwischenstand der Sondierungen keine Selbstverständlichkeit. Nachdem Armut im Sondierungspapier an keiner Stelle vorkam, hat es immerhin das Thema Kinderarmut in den Vertrag geschafft. Erfreulich ist auch, dass die dringend notwendige Verbesserung bei der Förderung der Wohlfahrtsverbände den Weg in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Und mit dem bereits verabschiedeten Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ist die Grundlage für überfällige Investitionen auch in die soziale Infrastruktur gelegt.
Noch bevor die vorliegende Koalitionsvereinbarung von allen innerparteiligen Gremien gebilligt wurde, haben die Koalitionär*innen in spe selbst dazu beigetragen, Zweifel an der Ernsthaftigkeit der gemeinsamen Vereinbarungen zu säen: Alle Vereinbarungen stehen unter dem angesichts des Fortbestands der Schuldenbremse denkbar weitreichenden Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Während der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil schon bei der Vorstellung des Vertrages die Unterschiedlichen Formulierungen von “wir wollen” und “wir werden” betonte, wies der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz die gesetzliche Durchsetzung eines Mindestlohns von 15 Euro zurück und stellte sogar die vereinbarte steuerliche Entlastung kleiner Einkommen in Frage. “Wo die Tat nicht spricht, wird das Wort nicht viel helfen,“ formulierte Friedrich Schiller einst. Ob die Worte der Koalitionsvereinbarung geeignet sind zu helfen, wenn sie in Taten münden, will der Paritätische in seiner Auswertung des Koalitionsvertrages untersuchen.
Wer den Koalitionsvertrag selbst lesen will, der findet das Dokument hier: ... Klick mich
-----------------------------------------------------------
Der Koalitionsvertrag bedeutet massive Verschlechterung für Flüchtlinge
Presseerklärung 9. April 2025. --- Pro Asyl:
Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und Humanität
PRO ASYL ist alarmiert über die Ergebnisse der Koalitionsgespräche, die massive Verschärfungen für Schutzsuchende festschreiben, statt sich an Humanität und geltendem Recht zu
orientieren.
„In den Koalitionsergebnissen wird eine gefährliche Abkehr von menschenrechtlichen Errungenschaften deutlich – es droht eine Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und Humanität“, warnt
Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Massive Verschärfungen für Schutzsuchende
Das zeigt sich insbesondere an den geplanten Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen - dies ist weiterhin europa- und verfassungswidrig.
Fatal ist, dass Union und SPD sich auf die Streichung des sogenannten Verbindungselements für “sichere Drittstaaten” geeinigt haben. Hier
geht es darum, Deals mit Ländern à la Modell Ruanda zu schließen. Damit soll dann ein Flüchtling in einen Drittstaat außerhalb der EU geschickt werden können, obwohl er dort nie zuvor war. Die
“sicheren Drittstaaten” sind im EU-Recht geregelt, und in Kürze wird ein Vorschlag der Kommission für eine Evaluierung erwartet. “Diese unscheinbar wirkende Rechtsänderung wird dramatische
Konsequenzen für den Flüchtlingsschutz haben. Damit schließt sich Deutschland den europäischen Hardlinern an und unterstützt den Versuch, kollektiv aus dem internationalen
Flüchtlingsschutz auszusteigen”, sagt Kopp.
Eine massive Verschärfung sieht der Koalitionsvertrag im Asylverfahren vor: Dort soll der Amtsermittlungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz, der die Beweislast den Schutzsuchenden aufbürdet, ersetzt werden. Dagegen hatte es seit dem Sondierungspapier starke öffentliche Kritik von Jurist*innen und anderen Expert*innen gegeben.
Ein Beibringungsgrundsatz im Asylverfahren wird zu falschen Ergebnissen führen und ist verfassungsrechtlich höchst fragwürdig: Ein faires Verfahren ist so für die Betroffenen nicht
garantiert. Ausführlich hat PRO
ASYL hier das Problem erklärt.
Es ist außerdem bitter, dass sich der Sozialpopulismus gegen ukrainische Flüchtlinge nun auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen hat. Neu ankommende
ukrainische Flüchtlinge sollen bei Bedürftigkeit wieder unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Das bedeutet nicht nur weniger Leistungen und seit letztem Jahr an vielen
Orten die Bezahlkarte, sondern unter anderem auch schlechtere medizinische Versorgung.
Obwohl besonders schutzbedürftig: Frauen und Kinder bleiben auf der Strecke
PRO ASYL kritisiert insbesondere die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, die Beendigung humanitärer
Aufnahmeprogramme sowie das Moratorium des UN-Umsiedlungsprogramms.
„Der Koalitionsvertrag kappt zentrale lebensrettende Maßnahmen. Wer reguläre Wege versperrt, zwingt Menschen auf lebensgefährliche Fluchtrouten. Dies betrifft auch Frauen und Mädchen aus
Afghanistan, die dort laut europäischer Rechtsprechung massiv gefährdet sind“, sagt Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Die Aussetzung des Familiennachzugs verletzt das Menschenrecht auf Familie, führt zu dauerhaft zerrissenen Familienstrukturen und behindert Integration. Auch hier bleiben insbesondere Frauen und
Kinder auf der Strecke – gerade jene, die am dringendsten Schutz benötigen.
Was der
Koalitionsvertrag in der Praxis bedeutet: Noch mehr Tote
Während in Berlin über eine härtere Gangart gegenüber Schutzsuchenden verhandelt wurde, kamen in der Ägäis erneut Menschen ums Leben. Vor der Insel Lesbos ereignete sich ein Schiffsunglück, bei
dem überwiegend Frauen und Kinder starben.
Trauernde Angehörige aus Frankfurt, Bochum, Köln und Berlin identifizieren derzeit ihre Angehörigen in der Gerichtsmedizin auf Lesbos. Sieben Tote wurden bisher geborgen: vier Kinder, zwei Frauen
und ein Mann aus Afghanistan.
„Die Umsetzung des Koalitionsvertrags wird unweigerlich zu mehr Toten führen“, so Kopp. „Weitere schutzbedürftige Menschen werden auf gefährliche und häufig tödliche Fluchtrouten
gezwungen.
|
Hier den vollständigen Koalitionsvertrag lesen --- Klick mich
|
|