Dobrindt: Kein Recht mehr auf Asyl an der Grenze!

Dobrindt: Kein Recht mehr auf Familiennachzug!

 



Presseerklärung – Pro Asyl -  2. Juni 2025 

Dobrindts Zurückweisungspolitik ist rechtswidrig –
drei Geflüchtete gewinnen Eilverfahren gegen Zurückweisung an der deutsch-polnischen Grenze

Eine 16-jährige Geflüchtete aus Somalia hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin ein Eilverfahren gegen ihre Zurückweisung an der deutsch-polnischen Grenze gewonnen. Das Gericht stellte klar: Die Zurückweisung der schwer verletzten Jugendlichen war rechtswidrig. Ebenso haben zwei weitere somalische Schutzsuchende, die einer verfolgten Minderheit angehören, ihre Eilverfahren gegen ihre Zurückweisung vor dem Verwaltungsgericht gewonnen. Alle drei Verfahren werden aus dem Rechtshilfefonds von PRO ASYL unterstützt.

„PRO ASYL ist erleichtert, dass das Gericht der Betroffenen zu ihrem Recht verholfen hat. Die europarechtswidrige Praxis, Asylsuchende zurückzuweisen, muss sofort beendet werden. Bundesinnenminister Dobrindt hat mit seinem nationalen Alleingang genug Leid für Schutzsuchende verursacht und außenpolitischen Schaden angerichtet“, erklärt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Ein Team von PRO ASYL war unmittelbar nach der Anweisung von Bundesinnenminister Dobrindt an die Grenze gereist. Vor Ort trafen sie auf mehrfach zurückgewiesene Schutzsuchende – unter ihnen die 16-Jährige, die sich aufgrund ihrer Verletzungen kaum noch fortbewegen konnte. Dreimal wurde sie trotz ihrer Minderjährigkeit und ihres kritischen Gesundheitszustands von deutschen Grenzbeamt*innen abgewiesen. Gemeinsam mit polnischen Partnerorganisationen sorgte PRO ASYL für ihre medizinische Versorgung, Unterbringung und rechtliche Vertretung in Polen und Deutschland.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun bestätigt: Die Zurückweisungen der jungen Frau sowie der zwei somalischen Männer verstoßen gegen deutsches und europäisches Recht.

Die Versuche von Alexander Dobrindt, durch populistische Rhetorik ein Klima der Härte zu schaffen, gehen nicht nur zulasten schutzbedürftiger Menschen – sie stehen auch im Widerspruch zum geltenden Recht. Wer Geflüchtete trotz offensichtlicher Hilfsbedürftigkeit zurückweist, handelt nicht nur unethisch, sondern rechtswidrig. Zudem gefährdet dieser nationale Alleingang die europäische Einheit.

Die 16-Jährige war im Mai 2025 gemeinsam mit zwei weiteren somalischen Geflüchteten nach wochenlanger Flucht in kritischem Zustand an der Grenzbrücke bei Frankfurt (Oder) angekommen – geschwächt, verletzt und medizinisch unterversorgt. Trotz ihres Zustands wurde sie ohne Prüfung ihres Schutzgesuchs nach Polen zurückgeschoben. Erst durch zivilgesellschaftliche Unterstützung sowie die Intervention einer Anwältin konnte die Zurückweisung erfolgreich angefochten werden. 

PRO ASYL fordert ein sofortiges Ende rechtswidriger Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Zudem braucht es eine umfassende politische Aufarbeitung dieses Falles und ähnlicher Fälle, um systematische Rechtsverstöße und unterlassene Hilfeleistungen künftig zu verhindern.

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Subsidiär Schutzberechtigte27.05.2025

Was bedeutet ein Stopp des Familiennachzugs?

Die Bundesregierung plant einen Stopp des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre. Der Mediendienst hat aktuelle Zahlen und Studien zum Thema zusammengestellt.

Eine Familie aus Syrien nach sechs Jahren wieder in Berlin vereint. Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 30.1.2025 veröffentlicht und am 9.4.2025 aktualisiert.

Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten steht immer wieder im Mittelpunkt politischer Debatten: 2015 bekamen subsidiär Schutzberechtigte die Möglichkeit, Ehepartner*innen, Kinder oder Eltern nachziehen zu lassen. Nach nur einem Jahr wurde der Familiennachzug ausgesetzt. Seit 2018 konnten Familien von subsidiär Schutzberechtigten wieder zusammengeführt werden – allerdings im Umfang von maximal 1.000 Visa pro Monat. Im Mai 2025 hat die Bundesregierung eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf präsentiert, nach der der Familiennachzug erneut für zwei Jahre eingestellt werden soll.

Wie viele Familienzusammenführungen gibt es?

2024 haben die deutschen Botschaften rund 120.000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung ausgestellt – davon gingen etwa 28.300 an Personen aus folgenden Asylherkunftsstaaten: Syrien (ca. 20.000), Iran (4.400), Afghanistan (2.600) und Irak (1.300).

 

Wie viel Familiennachzug gibt es zu subsidiär Schutzberechtigten?

Im Jahr 2024 wurden rund 12.000 Visa an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt. Zwischen 2018 und 2024 waren es insgesamt rund 58.400 Visa – das sind etwa acht Prozent aller Visa zum Zweck der Familienzusammenführung in dieser Zeit. Mehr als 80 Prozent dieser Visa gingen an Angehörige von syrischen Bürger*innen.

Subsidiärer Schutz

In Deutschland leben derzeit rund 381.216 Personen mit subsidiärem Schutz. Einen subsidiären Schutz bekommen Personen, denen im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen.

 

Wie lange leben subsidiär Schutzberechtigte in Deutschland?

Die Statistik zu subsidiär Geschützten in Deutschland zeigt, dass die meisten von ihnen jahrelang nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können: So leben aktuell über die Hälfte der subsidiär Geschützten (188.401 Personen) bereits seit sechs Jahren oder länger in Deutschland. Daher wurde Anfang 2024 auch die Rechtslage angepasst: So erhalten nicht nur Flüchtlinge, sondern auch subsidiär Schutzberechtigte nach ihrer Anerkennung einen Aufenthaltstitel direkt für drei Jahre – und nicht, wie früher bei subsidiär Geschützten üblich, lediglich ein Jahr.Quelle

Prof. Dr. Magdalena Nowicka, Leiterin der Abteilung Integration beim Deutschen Zentrum für Integration- und Migrationsforschung (DeZIM): „Geflüchtete, die von ihren Partner*innen und minderjährigen Kindern getrennt sind, arbeiten und verdienen kurzfristig mehr, um die Familien aus der Ferne zu unterstützen. Langfristig jedoch hindert die Trennung ihre gute Integration auf dem Arbeitsmarkt und trägt zum erhöhten Armutsrisiko bei.

Dr. David Schiefer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Integration deim DeZIM: „Die Aussetzung des Familiennachzugs ist kontraproduktiv. Die Trennung von Partner*innen und minderjährigen Kindern belastet die hier lebenden Geflüchteten mental und erschwert damit auch ihren Integrationsprozess. Wer also Integration fördern und psychischen Stress unter Geflüchteten vermeiden will, muss Familiennachzug fördern statt verhindern.“

Was bedeutet die Trennung von der Familie für irreguläre Migration?

„Wenn Familienmitglieder nicht regulär nachziehen dürfen, dann sehen sich viele gezwungen, irreguläre Wege zu nutzen“, erklärt Dr. Benjamin Etzold vom Bonner International Center for Conflict Studies. Er forscht seit Jahren zu Familien, die durch Flucht getrennt wurden, und hat zahlreiche Interviews mit Geflüchteten zum Thema Familiennachzug geführt. „Die Logik lässt sich leicht verstehen, wenn man auf die menschliche Dimension dieses Themas blickt: Familien wollen beisammen sein, eine Trennung von Kind, Eltern oder dem Partner ist schwer zu ertragen, für junge Menschen sogar traumatisch. Wenn es keine legalen Möglichkeiten gibt, ihnen nachzureisen, dann sucht man andere Wege“, so Etzold.

Was bedeutet die Trennung von der Familie für Integration und Kriminalität?

Zahlreiche Studien betonen die psychische Belastung, die die Trennung von der Familie für Menschen darstellt. Wenn Flüchtlinge ihre Familienangehörigen nicht nachholen können, erschwere das ihre Integration im neuen Land. "Der Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll, da die Sorge um Angehörige es erschwert, innerlich anzukommen und sich etwa um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen“, sagt Prof. Winfried Kluth, Vorsitzender des Sachverständigen für Integration und Migration.

2018 erfuhr eine Studie viel Aufmerksamkeit, nach der Familiennachzug die Kriminalität von Flüchtlingen senken könnte: Mit Blick auf die Straftaten von jungen männlichen Flüchtlingen verwies Studienleiter Christian Pfeiffer auf das Fehlen von Partnerinnen oder Müttern. Die Kriminologin Prof. Gina Wollinger arbeitet zu Ausländerkriminalität sowie Zusammenhängen zwischen Migration und Kriminalität. Sie sagt, dass sich aus der Studie nicht unmittelbar ergebe, dass Familiennachzug die Kriminalität senke, sondern dies eher eine Hypothese basierend auf den Studienergebnissen sei. Allerdings zeige die kriminologische Forschung generell, dass familiäre Einbindung ein kriminalitätshemmender Faktor sei: „Hier ist sich die Forschung einig: Personen, die einsam, sozial schlecht eingebunden oder frustriert sind, begehen wahrscheinlicher eine Straftat als Personen, die familiär und sozial  gut eingebunden sind. Elterliche Erziehung zu erfahren oder selbst erzieherische Verantwortung zu übernehmen, senkt die Wahrscheinlichkeit für Kriminalität. Familien zu trennen, steigert daher tendenziell das Risiko für Straffälligkeit“, so Wollinger.Quelle

Wie ist die Rechtslage?

Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge dürfen Ehegatten und minderjährige Kinder nachholen (und unbegleitete Minderjährige ihre Eltern), unabhängig davon, ob sie über genügend Einkommen oder Wohnraum verfügen. Sie müssen dafür den Nachzug innerhalb von drei Monaten beantragen, nachdem sie als Flüchtlinge anerkannt wurden. Für Flüchtlinge ergibt sich dieses Recht nicht nur aus dem deutschen Aufenthaltsgesetz, sondern auch aus der europäischen Familienzusammenführungs-Richtlinie. Der Familiennachzug für Flüchtlinge kann daher von EU-Staaten nicht einseitig ausgesetzt werden.

Anders verhält es sich mit dem Subsidiären Schutz: Die Gewährleistung der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie gilt nur für Flüchtlinge, nicht für subsidiär Geschützte. Ob und in welchem Maße subsidiär Geschützte der Familiennachzug gewährt wird, hängt also vom nationalen Gesetzgeber ab. Seit August 2018 gilt in Deutschland die Regel, dass 1.000 Visa pro Monat für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden.Quelle

Ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten rechtlich zulässig?

Auch wenn die EU-Familiennachzugsrichtlinie nicht für subsidiär Schutzberechtigte gilt, ist der nationale Gesetzgeber nicht völlig frei in seiner Entscheidung, welche Rechte er subsidiär Geschützten gewährt: Denn der Familiennachzug berührt sowohl Rechte aus der deutschen Verfassung (Art. 6 Grundgesetz: Ehe und Familie), als auch Rechte aus der von Deutschland ratifizierten Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK: Achtung des Privat- und Familienlebens).

Schon 1987 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sich Fragen rund um die Familienzusammenführung an dem Grundrecht auf Familie aus Art. 6 Grundgesetz messen lassen müssen. Auf europäischer Ebene urteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof 2021, als es um den Familiennnachzug für einen subsidiär Geschützten in Dänemark ging, dass eine komplette Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte nicht erlaubt ist: Staaten dürfen demnach den Familiennachzug für zwei Jahre ausschließen, müssen danach aber den Einzelfall prüfen.Quelle

Von: Fabio Ghelli und Donata Hasselmann

 


 

Es war einmal ...

Der Familiennachzug wurde 2025 auf Vorschlag von Innenminister Dobrindt abgeschafft.

 

Hier finden Sie die Broschüre, die sich mit dem ehemals geltenden Familiennachzug beschäftigt, gute Informationen für die Berechtigung des Familiennachzugs liefert.

 

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