Vor 29 Jahren floh Doni Merovci aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Cuxhaven. Mehrmals sollte er abgeschoben werden. Nun
wurde er zum Helden. Er erzählt die Geschichte seines Lebens und wie sich eine ganze Stadt für sein Bleiben einsetzte.
1994 floh der damals 26-jährige Doni Merovci mit seiner Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland. Mehrmals sollte er abgeschoben
werden, doch Merovci hatte sich in Cuxhaven längst eine Fangemeinde aufgebaut, die alles daran setzte, dass der eingefleischte Fußballfan bleiben durfte.
"Zuerst kam ich nach Langenhagen", erinnert er sich. "Damals habe ich direkt einen Asylantrag gestellt und parallel angefangen, in einer
Drittliga-Fußballmannschaft zu spielen." Im Frühjahr 1995 kam er schließlich nach Cuxhaven. "Dort habe ich sofort versucht, Fuß zu fassen." Auch in Cuxhaven nutzte er den Fußball als Schlüssel
zur Integration. Schnell fand er Anschluss, unter anderem beim Verein Rot Weiss, der ihm bei der Wohnungssuche half. Zehn Jahre lang lebten Doni Merovci und seine Frau im Stadtteil Süderwisch.
Doch die Unsicherheit über die eigene Zukunft prägte die ersten Jahre. "Ich hatte nur eine Duldung, also den schlechtesten Aufenthaltsstatus. Ich durfte die Stadt nicht ohne Genehmigung
verlassen.
In zahlreichen Vereinen in Cuxhaven tätig gewesen
In den folgenden Jahren spielte er nicht nur für verschiedene lokale Vereine wie Rot Weiss, Eintracht, Groden und Sahlenburg, sondern
engagierte sich auch als Trainer. In Süderwisch wurde er aktives Mitglied im Förderverein "Wir in Süderwisch" und machte es sich zur ehrenamtlichen Aufgabe, die Kinder, die damals überwiegend aus
Russland, Kasachstan und Usbekistan kamen, von der Straße zu holen. "Weg von Stress, Alkohol und Drogen", erklärt er. "Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, die verschiedenen Kulturen
kennenzulernen", so Mirovci weiter. Gemeinsam mit der Lebenshilfe bot er außerdem Fußballkurse für schwerbehinderte Kinder an. "Es gibt nichts Schöneres, als anderen zu helfen."
Merovci stoppte Angreifer in der Nordersteinstraße in Cuxhaven
Heute, 30 Jahre nach seiner Flucht, haben Doni Merovci und seine Frau ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland und sind Eltern von
vier Kindern. Seinen 24-jährigen Sohn hat der Dortmund-Fan wohl so sehr mit dem Fußballfieber angesteckt, dass dieser heute als Sportwissenschaftler beim Fußballclub Sankt Pauli arbeitet.
Merovci selbst arbeitet in der Gastronomie, nachdem er lange auf eine Arbeitserlaubnis warten musste. "Ich durfte nur zwischen zwei Berufen wählen: Gastronomie und
Reinigung." Dabei hatte er in seiner Heimat eigentlich angefangen, Jura zu studieren, bis er das Studium wegen des Krieges abbrechen musste. Doch statt zu hadern, packte er an und baute sich eine
neue Existenz auf. Seit 13 Jahren arbeitet er nun im Duhner Restaurant Leuchtfeuer. Beim Quiz mit seinen Arbeitskollegen punktet er aber auch heute noch mit seinem juristischen Wissen, erzählt er
und lacht.
"Integration stand für mich immer an erster Stelle"
Arbeiten, auch neben seinen sportlichen Ehrenämtern, war dem 59-Jährigen immer besonders wichtig. "Denn wer nicht arbeitet, hat es schwer,
sich zu integrieren", sagt er. "Und Integration stand für mich immer an erster Stelle."
An Cuxhaven gebunden, wie während seiner Duldung, ist er längst nicht mehr. Dennoch bleibt Merovci der Stadt treu: "Cuxhaven wird immer in
meinem Herzen sein. Diese Stadt hat so viel für mich getan."
Das Fußballspielen hat er inzwischen aufgegeben, weil neben Beruf und Familie (und der Bundesliga) nicht mehr viel Zeit bleibe. Aber seine
Leidenschaft wird bleiben: "Wenn ich irgendwann mit der Arbeit aufhöre: Mein Herz wird immer für den Fußball schlagen."
Mehr als 500 Übergriffe auf Flüchtlinge im ersten Halbjahr
Nötigung, Körperverletzung, Volksverhetzung: Immer wieder werden Asylbewerber zum Ziel von Attacken. Laut vorläufiger Statistik
gingen die Zahlen zuletzt zurück. Auffällig sind regionale Schwerpunkte – in Sachsen und Thüringen. Linken-Politikerin Bünger sieht Mitverantwortung der Politik.
Montag, 12.08.2024, Klick mich zum Original
Die Polizei hat im ersten Halbjahr 2024 nach vorläufigen Zahlen weniger Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerber
registriert als im Vorjahres-zeitraum. Deutschlandweit waren es im ersten und zweiten Quartal dieses Jahres insgesamt 519 Fälle. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine
Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervor, die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) und dem MiGAZIN vorliegt. Demnach haben die Ermittler im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 1.155
Übergriffe auf Flüchtlinge verzeichnet – im gesamten Jahr 2023 waren es 2.450.
Das Bundesinnenministerium verweist in seiner Antwort aber ausdrücklich darauf, dass die Zahlen für 2024 vorläufig
sind und sich durch Nach- und Änderungsmeldungen noch teils erheblich verändern können. Zudem sei offen, ob es sich um abgeschlossene oder noch laufende Ermittlungsverfahren des Bundes und der
Länder handele.
Scherpunkt der Taten in Sachsen und Thüringen
Es geht um Angriffe gegen Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb von Flüchtlingsunterkünften und um Straftaten wie
etwa Volksverhetzung, Nötigung und gefährliche Körperverletzung. Im ersten Halbjahr 2024 wurden dabei 46 Menschen verletzt, darunter sechs Kinder, wie es in der Antwort weiter heißt. Der größte
Teil der Übergriffe – insgesamt 456 – wird von der Polizei der rechten Szene zugeordnet. Hinzu kommen laut Statistik 69 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.
Nach Informationen der NOZ liegt ein regionaler Schwerpunkt der Taten in Sachsen und Thüringen, wo am 1. September
Landtagswahlen sind. Demnach entfielen von den bundesweit 286 Angriffen auf Flüchtlinge im zweiten Quartal 2024 die meisten auf Sachsen (41) und Thüringen (35). Danach folgen Bayern (31),
Niedersachsen (30) und Brandenburg (29). Einstellig sind die Zahlen in Baden-Württemberg und Berlin (je 8), Bremen, Hamburg und Hessen (je 2) sowie in
Schleswig-Holstein (5).
Linken-Politikerin Bünger sieht Mitverantwortung der Politik
„Seit Langem ist bekannt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen rassistischen Parolen, die Politikerinnen und
Politiker ausgeben, und rassistischen Mobilisierungen und Angriffen auf den Straßen gibt“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
„Wenn Rechte im Parlament ‚Remigration‘ fordern und sogar Regierungsmitglieder Geflüchtete für alle möglichen
gesellschaftlichen Probleme verantwortlich machen, Abschiebungen ‚im großen Stil‘ ankündigen oder Asylsuchende gar als Invasoren bezeichnen, wie in Großbritannien geschehen, fühlen Rassistinnen
und Rassisten sich ermächtigt, auf Menschenjagd zu gehen und Geflüchtete zu terrorisieren“, so Bünger.
Wenn Rechtsextremisten den Begriff „Remigration“ verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von
Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. (dpa/mig)
Polizei registriert deutlich mehr Angriffe auf Geflüchtete als 2022
Dienstag, 14.11.2023, 20:00 Uhr
Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge, Asylbewerber und ihre Unterkünfte hat deutlich zugenommen. Wie aus einer Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, gab es in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits mehr solcher Attacken als im gesamten Vorjahr. Den Angaben zufolge wurden in
den ersten drei Quartalen dieses Jahres 1.515 solcher Angriffe gezählt, nach 1.371 Angriffen im Jahr 2022.Dass eine Unterkunft Tatort oder Angriffsziel einer politisch motivierten Straftat war,
kam im dritten Quartal dieses Jahres insgesamt 30-mal vor, wie die Statistik zeigt, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In drei dieser Fälle ging es demnach um Gewaltdelikte. Der größte
Teil der Angriffe auf Unterkünfte – 23 Straftaten – wurde von der Polizei der rechten Szene zugeordnet.
Verantwortung übernehmen – Gewaltopfer aus Gaza aufnehmen!
Beim Flüchtlingsrat Niedersachsen haben sich in den vergangenen Tagen mehrere Menschen gemeldet, deren Angehörige im Gazastreifen leben
oder sich auch nur zu Besuch aufhalten und dringend Hilfe benötigen, aber den Gazastreifen nicht verlassen können. Mit der nachfolgenden Presseerklärung appellieren die Flüchtlingsräte
Niedersachsen und Schleswig-Holstein an Bund und Länder, sich für ein Evakuierungsprogramm zumindest für kranke und verletzte Schutzbedürftige aus dem Gazastreifen einzusetzen:
Landesflüchtlingsräte aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen fordern von Bund und Ländern die Evakuierung verletzter Kriegsopfer aus
dem Gaza-Streifen.
Die geschundene Zivilbevölkerung des Gaza braucht dringend Hilfe. Neben Hilfslieferungen ist insbesondere die
umgehende Aufnahme und medizinische Versorgung von kranken und verletzten Schutzbedürftigen aus dem Gazastreifen dringend erforderlich. Die Flüchtlingsräte aus SH und Niedersachsen fordern die
Bundesregierung dazu auf, Verantwortung zu übernehmenundein Evakuierungsprogramm für verletzte Kinder,
Frauen und Männer aus dem Gaza Streifen aufzulegen.
Wir begrüßen, dass derzeit eine wachsende Zahl von israelischen Staatsbürger*innen, die dem sich möglicherweise in Israel noch
ausweitenden Konflikt entkommen wollen, in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme und Schutz finden. Deutschland ist aber mit Blick auf die Verlängerung seiner Geschichte im Nahen Osten in
besonderer Verantwortung, gegenüber allen unschuldigen Opfern des Konflikts mit konkreter Hilfe aktiv zu werden.
Wir fordern die Bundesregierung daher auf, mit den Ländern die Aufnahme für zivile Binnenflüchtlinge und insbesondere Verwundete des
Krieges im Gaza-Streifen abzustimmen und seine Umsetzung mit den Regierungen Israels und Ägyptens zu verhandeln.
Bei der Podiumsdiskussion äußerten (v.l.) Kirsti Elle, Daniel Schneider, Siemtje Möller und Berend Burwitz ihre Meinung zum Thema Krieg in der Ukraine. Foto: Grell
Bei der Podiumsdiskussion der Cuxland-SPD stand der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt. Auf eine Frage gab es
dabei keine klare Antwort: Ist die Ukraine erst der Anfang von Putins Kriegsstrategie?
Der Vorsitzende der SPD im Unterbereich Cuxhaven, Oliver Lottke, eröffnete die Podiumsdiskussion: "Es sind
bereits eineinhalb Jahre vergangen, seitdem der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist. Aber wie geht es weiter?" Dieser Frage hatten sich Siemtje Möller
(Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung), Daniel Schneider (Mitglied des Bundestages), Kirsti Elle (Jungsozialisten)
und Berend Burwitz (Kapitän zur See a. D.) gestellt.
Moderator Gunnar Wegener gab das Wort zuerst an Siemtje Möller. Deutschland müsse wehrhaft sein und der
Gesellschaft müsse ins Bewusstsein gerufen werden, dass jederzeit auch in diesem Land ein Angriff passieren könne. Durch den Angriffskrieg Russlands sei alles zerstört worden, was
allgemein zwischen Nationen als gesetzt galt. Denn Russland habe alle Regeln gebrochen und Deutschland könne nicht davon ausgehen, dass Putin das in Zukunft ändert. "Deshalb ist
es umso wichtiger, dass wir als Länder trotz großer Unterschiede zusammenhalten", appelliert Siemtje Möller.
Transatlantiker nimmt kein Blatt vor den Mund
Aber wie geht es im Krieg nun weiter? Berend Burwitz, der sich selbst als "Transatlantiker" sieht, geht
davon aus: "Russland hat den Krieg bereits verloren, die Ukraine wird ihn aber nicht gewinnen." Burwitz sieht den Anfang des Krieges im Jahr 2008, als die NATO in
Bukarest erklärte, dass Georgien und die Ukraine Mitgliedstaaten werden sollen. Das sieht Siemtje Möller anders: "Putin hat den Krieg begonnen, weil er es für eine gute
Gelegenheit hielt. Ansonsten hätte er nicht so viele Fehlannahmen gehabt und den Widerstand der Ukraine unterschätzt."
Für Burwitz hat der Verlauf des Krieges eine logische und eindeutige Abfolge. Putin habe diesen begonnen,
da er sich durch die NATO bedroht gefühlt habe. "Wie es nun weiter geht? Mit einem Knüppel in der Hand und einem Verhandlungsangebot", sagte Burwitz. Seiner Meinung nach
müsse Deutschland die Ukraine weiter und zügig unterstützen. Außerdem forderte er die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks. Dieses bietet Deutschland, Frankreich und Polen
ein wichtiges Forum, um sich über gemeinsame Herausforderungen abzustimmen.
Kirsti Elle hingegen ist der Meinung, dass man die eigene Politik hinterfragen und Lösungen finden müsse. "Es
gibt mittlerweile viele Machtzentren und bald wird es keinen dominierenden Faktor mehr geben - wir brauchen neue Orientierungspunkte." Die Europäische Union müsse sich wappnen und
die Zusammenarbeit stärken. "Wir müssen Handel führen, aber auch auf eigenen Beinen stehen können", so Elle.
"Anstatt Brandmauern aufrechtzuerhalten, baut Merz der AfD Brücken. Es gibt keinen Missbrauch des Asylrechts. Die Anerkennungsquote von Asylanträgen ist auf einem historischen
Höchststand. Es ist scheinheilig, wie der CDU-Vorsitzende das Leid der Verletzlichsten missbraucht und seinen Angriff gegen das Flüchtlingsrecht fortsetzt, indem er die Aufnahme von Frauen
bzw. Kindern fordert und Männern gleichzeitig das Recht auf Schutz abspricht. Nach dem EU- und Völkerreicht ist es nicht zulässig, das individuelle Recht auf Asyl durch Aufnahmekontingente zu
ersetzen. Auch ist die Einreise von Geflüchteten nicht illegal, wenn sie im Anschluss Asyl beantragen.Es ist perfide, gerade
Geflüchtete, die am häufigsten von dem grassierenden Rassismus betroffene Personengruppe, zu Sündenböcken für die Wahlerfolge der AfD zu erklären. Die Strategie der Union gegen den Rechtsruck
beschränkt sich anscheinend darauf, Geflüchtete zu dämonisieren und der AfD in nichts nachzustehen oder neuerdings gleich gemeinsame Sache mit ihr zu machen."
1. Das individuelle Asylrecht sollte abgeschaffte und Pushbacks sollten erlaubt werden
Diese Forderungen sind populistisch. Keine Bundesregierung kann das individuelle Asylrecht ohne weiteres abschaffen. Die Recht von Schutzsuchenden auf ein individuelles Asylverfahren und die
Pflicht Deutschlands zur individuellen Prüfung ihrer Asylanträge ergibt sich völkerrechtlich aus der Genfer Flüchtlingskonvention und europarechtliche aus der sog. Verfahrensrichtlinie
(2013/32/EU). Selbst wenn die Bundesrepublik aus der Flüchtlingskonvention austreten würde, wäre sie weiterhin an ihre Verpflichtung aus der Verfahrensrichtlinie gebunden. Selbiges gilt für die
Forderung nach Pushbacks. Vor allem: Selbst wenn das individuelle Asylrecht abgeschafft werden würde, würden Menschen immer noch in Deutschland ankommen. Dazu, was dann passieren soll, äußert
sich Merz nicht.
2. Das Asylrecht werden in Deutschland zu hunderttausendfach missbraucht
Diese Aussage ist sachlich falsch und vermessen. Merz diskreditiert mit dieser Aussage insbesondere die Fluchtgründe männlicher Geflüchteter und degradiert sie dadurch zu Geflüchteten zweiter
Klasse. Im Jahr 2022erhielten fast Dreiviertel der Schutzsuchenden, über deren Schutzbegehren inhaltlich entschieden wurde, vom BAMF einen Schutzstatus (sog. „bereinigte
Schutzquote“). Hinzu kommt, dass mehr als ein Drittel (37 %) der ablehnenden Bescheide des BAMF durch die Gerichte oder vom BAMF korrigiert werden: Etwa 40.000 Asylsuchende, die vom BAMF zunächst
abgelehnt worden waren, erhielten im Jahr 2022 dann doch noch einen Schutzstatus zugesprochen. Die drei Hauptherkunftsländer waren dabei Syrien, Afghanistan und die Türkei.
3. "Diejenigen, die unsere Hilfe wirklich bräuchten", blieben zurück
Diese Aussage ist bigott. Ginge es Merz tatsächlich um die gezielte Hilfe für besonders schutzbedürftige Personen wie Kinder, Frauen oder älteren Menschen, so sollten er und seine Partei sich
zumindest für sichere Fluchtwege – bspw. durch die Möglichkeit Asyl in deutschen Botschaften zu beantragen oder über Aufnahmeprogramme einzureisen – oder Verbesserungen im Asylverfahren für diese
Personengruppen einsetzen. Mit beidem ist die Union bislang nicht in Erscheinung getreten. Zudem zeigt nicht zuletzt dasUnglück von Pylos, dass auch Frauen und Kinder mangels
Alternativen gezwungen werden, in seeuntüchtige Boote zu steigen, um ihr Leben in Sicherheit zu bringen.
4. Forderung nach mehr Grenzkontrollen
Diese Forderung ist ebenfalls populistisch. Zum einen sind regelmäßige Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen rechtswidrig. Zum anderen sind Grenzkontrollen kein geeignetes Mittel, um
die Einreise von Schutzsuchenden zu verhindern, da - wie Merz selbst feststellt - Pushbacks innerhalb der EU gegen die sog. Dublin-Verordnung verstoßen. Vielmehr drängt sich der Eindruck
auf, insbesondere Geflüchtete, aber auch andere Menschen ohne deutschen Pass, sollen ins Licht der Kriminalität gerückt werden. Zumal es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass massenhaft Menschen
unregistriert, d.h. ohne jeglichen Kontakt zu Behörden in Deutschland leben. Hinzu kommt, dass Geflüchtete überhaupt keine Möglichkeit haben, mit einem Visum einzureisen und ihre Einreise nicht
strafbar ist, sofern sie im Anschluss Asyl beantragen.
Im ZDF-Sommerinterview betonte der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz erneut, dass er die Abschaffung des individuellen Asylrechts zugunsten eines Kontingents von 300.000 bis 400.000
Schutzbedürftigen pro Jahr, die direkt aus dem Ausland aufgenommen und innerhalb der EU verteilt werden, für eine „sehr gut erwägenswerte Idee“ halte. Derzeit werde das individuelle Recht auf
Asyl von starken jungen Männern, „die sich auf die Flüchtlingsboote begeben können“, missbraucht. Dabei blieben „diejenigen, die unsere Hilfe wirklich bräuchten“ namentlich „Frauen, ältere
Menschen und Kinder“ zurück. Wenn dieses Problem gelöst werde, werde „die AFD auch wieder kleiner. Zugleich stellte er das Verbot von Pushbacks in Frage und forderte eine Kontrolle der
EU-Binnengrenzen.
Die Bürgerinitiative ´Cadenberge Hilft` ist mit einem Info-Stand und einem Stand mit Leckereien aus verschiedenen Ländern auf dem Markt an beiden
Tagen vertreten!
Kommen Sie gern zu uns! Wir stehen in der Nähe der Sparkasse.
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Antwort auf unsere Anfrage zur
Anerkennung des ukrainischen Führerscheines
Sehr geehrter Herr Beushausen,
wie angekündigt, sende ich Ihnen untenstehend erneut eine kurze Zusammenfassung zur Führerscheinanerkennung von Ukrainern in der Europäischen Union.
Die Kommission hat am 20. Juni eine Übergangsregelung für ukrainische Führerscheine
vorgeschlagen. Generell sollten Personen mit einem von der Ukraine ausgestellten gültigen Führerschein, denen nach nationalem Recht vorübergehender Schutz gewährt wird, ihren Führerschein
im Hoheitsgebiet der EU verwenden können, solange der vorübergehende Schutz andauert ohne ihn gegen einen EU-Führerschein umtauschen oder eine neue Fahrprüfung ablegen zu müssen. Der Vorschlag
der Kommission ist Teil des am 12. Mai vorgestellten Aktionsplan "Solidarity Lanes" (Solidaritätswege), der die Ukraine bei der Ausfuhr ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse unterstützen soll
und Teil der Solidaritätsmaßnahmen der EU mit der Ukraine ist. Unter dem folgenden Link können sie den detaillierten Vorschlag der Kommission finden:https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52022PC0313&from=EN
Am heutigen Tag, nur zwei Wochen nach der Vorlage des Vorschlags der Europäischen Kommission, haben die Abgeordneten des Europäischen
Parlament mit überwältigender Mehrheit darauf geeinigt, das Verfahren für ukrainische Flüchtlinge zur Beibehaltung ihres Führerscheins in der EU zu vereinfachen. Demnach kann der ukrainische
Führerschein weiter benutzt werden, ohne ihn gegen einen EU-Führerschein umtauschen oder eine neue Fahrprüfung ablegen zu müssen, solange Ukrainer den vorübergehenden Schutzstatus haben. Unter
bestimmten Bedingungen können ukrainische Flüchtlinge, die als Lastwagen- und Busfahrerinnen und -fahrer gearbeitet haben, ihre in der Ukraine ausgestellten Befähigungsnachweise in der EU
anerkennen lassen, nachdem sie eine kurze Schulung und eine Prüfung absolviert haben. Dadurch können sie während der Dauer des vorübergehenden Schutzes in der EU arbeiten und bei der Ausfuhr
ukrainischer Waren mithelfen. Den vollständigen angenommenen Text finden Sie hier:
Flüchtlingsstrom aus Ukraine? Kreis Cuxhaven in der Bredouille
VON TIM FISCHER | 28.02.2022 -
KREIS CUXHAVEN. Sieben Jahre ist die große Flüchtlingskrise mittlerweile her - jetzt stellen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine den Landkreis Cuxhaven vor
Herausforderung
Wieviele Menschen durch
den Krieg in der Ukraine flüchten werden, lasse sich noch nicht genau sagen, gibt Stephanie Bachmann, Sprecherin des Landkreises Cuxhaven, bekannt. Angesichts der sich zuspitzenden Lage prüfen
Landesaufnahmebehörde, Städte und Landkreise, wo Geflüchtete unterkommen können. Auch privat wollen Menschen Unterbringungen möglich machen.
Wohnraum für Geflüchtete
Der Landkreis Cuxhaven und die kreisangehörigen Kommunen suchten schon vor Kriegsbeginn in der Ukraine Wohnraum für Geflüchtete - zum Beispiel für Ortskräfte aus Afghanistan. Nicht alle der
dem Landkreis zugewiesenen Geflüchteten hätten bisher angemessen untergebracht werden können, hieß es bereits vergangene Woche in einer Pressemitteilung des Landkreises: "Überwiegend sind es
afghanische Ortskräfte, die nach der Machtübernahme der Taliban nun Schutz in der Bundesrepublik suchen."
Bis zu zwei Millionen Menschen
Jetzt rechnet der Landkreis mit weiteren Flüchtlingen: "Wie viele aus der Ukraine zu uns kommen, können wir aber noch gar nicht sagen", ergänzt Landkreis-Sprecherin Bachmann. Nach Schätzung
des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius könnten es ein paar Hunderttausend, aber auch bis zu zwei Millionen Menschen sein. "..."
Viel Zeit bleibt nicht mehr
Die Kreis-Verwaltung sucht derzeit ebenso wie die Samtgemeinden und die Städte Cuxhaven und Geestland selbst weiteren Wohnraum zum Anmieten. Doch viel Zeit bleibt nicht mehr. Die ersten
Flüchtlinge kommen bereits nach Deutschland: Es reichen ein ukrainischer Pass oder Personalausweis, damit Geflüchtete kostenlos die Fernzüge bis Berlin nutzen können, wie die Deutsche Bahn
versicherte. Nach Cuxhaven würden die Betroffenen aktuell "..." durch Familie und Freunde gelangen, so Landkreis-Sprecherin Bachmann. "Aktuell fahren die Menschen in Eigenregie an die Grenze
zur Ukraine, um Familie und Freunde abzuholen."
(Aktualisierung und Veränderung des Originalartikels durch: Ulrich Beushausen)
Erstregistrierung beim Landkreis Cuxhaven! Siehe oben!
Anmerkung: Wenn Sie Wohnraum vermieten können, melden Sie sich bitte für den Bereich der Samtgemeinde Land Hadeln direkt bei der
Samtgemeinde
Tel.: 04751-919020, Herr von der Fecht oder besser noch per E-Mail:
Und wie sieht es mit dem eigenen Weltbild aus? Programm stellt auch unbequeme Fragen
KREIS CUXHAVEN. Sie werden
sichtbar sein, wenn sie rausziehen in die Innenstädte, Stadtteile und Dörfer, und doch ist es erst mal ein internes Projekt der Polizei: „Polizeischutz für die Demokratie“ rührt an Tabus und
macht Mut zur Offenheit. Es geht darum, seinen Blick auf die Welt zu hinterfragen, es geht um die unbequeme Frage nach strukturellem Rassismus in Behörden. Beteiligt sind alle Polizeiinspektionen
und Kommissariate in Niedersachsen.
Die Internationale Woche gegen Rassismus nahm der Leiter der Polizeiinspektion Cuxhaven Arne Schmidt vor
wenigen Tagen zum Anlass, um das Programm und die beiden „Strategiepaten“ der PI Cuxhaven, Britta Schumann und Thomas Wittig, vorzustellen. Das Land habe mit der Auflage eine gute und
richtungweisende Entscheidung getroffen, so Arne Schmidt.
Immer zwei Seiten
„Nicht dass die Polizei das nötig hätte“, sagt er – einerseits. Es ist zu spüren, dass eine große
Zerrissenheit mit diesem Thema verbunden ist. Denn viele Einsätze finden nun mal in bestimmten Milieus häufiger statt als anderswo. Einerseits soll an der Realität nicht vorbeigesehen werden;
andererseits dürfen und sollen sich hierdurch nicht bestimmte Bilder im Kopf festsetzen, schon gar nicht bei Gruppen, die hoheitliche Aufgaben ausführen. „Wir müssen uns den Blick über den
dienstlichen Kontext hinaus bewahren“, so Arne Schmidt.
Gibt es strukturellen Rassismus in Behörden – also „automatisches Misstrauen“ gegenüber anders aussehenden
Personen oder Angehörigen bestimmter Nationalitäten? „Mit dem Thema werden wir immer wieder konfrontiert – selbst wenn es um Vorfälle in den USA geht“, berichtet der Polizeichef.
Das im November 2019 gestartete Programm „Polizeischutz für die Demokratie“ ist – so die Polizeiakademie
Niedersachsen – eine Reaktion auf den zunehmenden Populismus von rechts, dessen Akteure bewusst versuchten, „die Polizei in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu instrumentalisieren“. Die
Gesellschaft brauche aber mehr Vertrauen und weniger Angst. Die Polizei könne mehr als jede andere Institution dieses Sicherheitsgefühl vermitteln. Um den Anspruch als Vorbild zu stärken, wurden
innerhalb der Polizei Personen mit Ideen für eine gelebte demokratische Kultur gesucht.
Mehr als der Dienst
Dies sind in Cuxhaven Britta Schumann und Thomas Wittig. Für sie war dieses Programm auch eine Einladung,
sich eingehend mit der Geschichte ihres Dienstorts zu beschäftigen. „Wir wollen über den dienstlichen Kontext hinausblicken“, so Arne Schmidt. So entstand das erste von Britta Schumann und Thomas Wittig vorbereitete Projekt: Touren zu den in der Stadt Cuxhaven
verlegten „Stolpersteinen“. Diese mit einer Kupferplatte versehenen Steine sind im Gedenken an Opfer des NS-Regimes – Juden, politische Gegner, behinderte Kinder – vor deren früheren Wohnhäusern
verlegt worden. „Ein sichtbares Zeichen dafür, was es für Folgen haben kann, wenn Werte aus dem Bewusstsein verschwinden“, findet Arne Schmidt. Es werde sich mitnichten um Vorträge handeln, unterstreicht er, vielmehr um ein „Be-Greifen“: Es solle lebendig
zugehen, Austausch sei erwünscht und es dürfe auch durchaus mal zum Putzlappen gegriffen werden, um die Steine zu reinigen, ergänzt Britta Schumann. Thomas Wittig hat festgestellt: „Nur wenige Menschen kennen die Stolpersteine überhaupt.“ Eine Tour mit einem
Stadtführer zu früheren Dienststellen der NS-Organe habe ihm auch die Rolle der Polizei in der damaligen Zeit bewusst gemacht.
Britta Schumann und Thomas Wittig sehen bereits diese Zeit des Kennenlernens als großen Gewinn. „Wir sind
schon Teil des Netzwerks. Und so wird das auch an den anderen Dienststellen des Kreises weitergehen, ob Hemmoor, Schiffdorf oder Geestland“, versprechen sie.
Für Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer hat der Name „Polizeischutz für die Demokratie“ eine hohe
Symbolkraft. Seinem eigenen Verständnis nachzuhorchen, sei „für uns alle ein Modell“, findet Uwe Santjer und bezieht dabei sein Rathaus ein, in dem im Übrigen ohne multikulturelle Gesellschaft
ebenso wie in Krankenhäusern, im Einzelhandel, Tourismus und bei der Polizei viele Menschen fehlen würden.
Konsequenter handeln
Viele Berührungspunkte mit den Kreisbehörden sah auch Landrat Kai-Uwe Bielefeld. Ein Teil der Aufgabe sei,
Menschen offensiver auf ihr Fehlverhalten anzusprechen, egal, ob es um Worte oder Übergriffe gehe. „Den Leuten springen die Sicherungen gegenüber den Institutionen heraus, die zum Schutze der
Sicherheit da sind.“ Übergriffe auf Kreis-Behörden bringe er kompromisslos zur Anzeige:
„Dinge geschehen zu lassen und nicht konsequent zu reagieren, ist eine Keimzelle für mehr Gewalt.“
„Wenn Dinge erst mal salonfähig werden, sind sie auch schnell im Netz verbreitet“, gibt Uwe Santjer zu
bedenken. „Und irgendwann werden aus Sprache Taten.“
Undenkbares wird sagbar
„Wir müssen reagieren, bevor es sich in die Mitte der Gesellschaft hineinfrisst. Parteien sagen in Räten,
was früher undenkbar gewesen wäre, selbst mitten in Europa gibt es besorgniserregende Strömungen“, so Arne Schmidt.
Er kommt noch einmal auf die Geschichte zurück: „Wir haben als Deutsche eine besondere Verantwortung.“ Die
nächsten nachkommenden Kolleginnen und Kollegen könnten nicht mehr mit Zeitzeugen sprechen; umso wichtiger sei die Aufgabe von Britta Schumann und Thomas Wittig, um diese Lücke zu
schließen.
Britta Schumann, die seit rund 15 Jahren in Cuxhaven wohnt, hat durch das Programm das Netzwerk in Cuxhaven
mit seiner gelebten Hilfsbereitschaft als einen richtigen Schatz kennengelernt. Beide gehen durch das Stolperstein-Projekt inzwischen mit ganz anderen Augen durch die Stadt.
Thomas Wittig, der 2012 nach Cuxhaven gekommen ist und sich fast noch als Neubürger versteht, hält außerdem
schon lange den Kontakt zur muslimischen Gemeinde in Cuxhaven und hat dort vom Programm erzählt. „Die spontane Antwort: ,Da sind wir dabei‘“, erzählt Thomas Wittig.
Wer Frauen den Handschlag verweigert hat keinen Anspruch auf Einbürgerung. Das hat das Verwaltungsgericht Mannheim im Fall eines Libanesen entschieden, der Oberarzt
einer Klinik ist. Der Handschlag gehöre seit Jahrhunderten zur westlichen Tradition.
Montag, 19.10.2020, 5:24 Uhr
Wer Frauen grundsätzlich zur Begrüßung nicht die Hand gibt, kann auch nicht in Deutschland eingebürgert werden. Mit dieser Begründung hat der baden-württembergische
Verwaltungsgerichtshof einem Libanesen in einem am Freitag in Mannheim veröffentlichten Urteil die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. Eine fundamentalistische Kultur- und Wertevorstellung,
die das Händeschütteln mit einer Frau ablehnt, gewährleiste nicht die Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse, so das Gericht. (Az. 12 S 629/19)
Händeschütteln Tradition
Der 39-jährige Kläger kam 2002 nach Deutschland und arbeitet inzwischen als Oberarzt an einer Klinik. Bei seinem 2012 gestellten Antrag auf Einbürgerung habe er
eine „Absage an alle Formen des Extremismus“ unterschrieben und im Einbürgerungstest die volle Punktzahl erreicht. Als er 2015 die Urkunde entgegennehmen sollte, verweigerte er der zuständigen
Sachbearbeiterin des Landratsamts den Handschlag zur Begrüßung. Er habe seiner Ehefrau versprochen, keiner anderen Frau die Hand zu geben, gab er an
Mit einer neuen Aktion protestiert das "Zentrum für Politische Schönheit" gegen Rechtsextremisten bei der Bundeswehr, die "ungestraft Munition und schwere Waffen" entwenden - zuletzt 60 Kilogramm
Sprengstoff und 74.000 Schuss Munition.
Dienstag, 27.10.2020
Das Künstlerkollektiv „Zentrum für Politische Schönheit“ protestiert mit einer neuen Aktion gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Unter dem Titel „Wo sind
unsere Waffen?“ ruft die Gruppe zu Hinweisen auf den Verbleib von verschwundenen Waffen und Munition der Bundeswehr auf. Am Montag errichtete die Gruppe vor dem Bundeskanzleramt in Berlin eine
„Waffen-Rückgabecontainer-Station“, wo verschwundene Kampfmittel zurückgegeben werden könnten, wie es hieß.
Teil der neuen Aktion des „Zentrums für Politische Schönheit“ (ZPS) ist die Website
auf der unter anderem verschwundenes Waffenmaterial der Bundeswehr aufgelistet ist. Zudem seien von der Künstlergruppe bundesweit 97 Dörfer und Landkreise zu
„Kampfmittelverdachtszonen“ erklärt worden.
„Seit Jahren entwenden rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr ungestraft Munition und schwere Waffen, um sich für einen Bürgerkrieg auszustatten“, erklärte das
ZPS.
Die Künstler verwiesen auf Angaben der Bundeswehr, wonach bei der Truppe unter anderem 60 Kilogramm Sprengstoff Nitropenta, über 74.000 Schuss Munition diverser
Kaliber, acht Gewehre G36, elf Gewehre G3, sechs Maschinengewehre MG3, fünf Pistolen P8, zwei Fliegerfäuste, eine Maschinenpistole MP7, acht Waffenrohre und 23 Sprengkapseln verschwunden
seien.
LAND HADELN. Jedixa Diaz aus Otterndorf ist seit Juni leidenschaftlich als Soziale Flüchtlingsbegleitung in der Samtgemeinde Land Hadeln aktiv.
Ihr Vorname leitet sich der Herkunft nach von der Urbevölkerung Chiles, den Araukanern, ab. Geboren ist Jedixa Diaz jedoch in Cuxhaven. Seit einigen Monaten übt
die junge Frau die Tätigkeit der Sozialen Flüchtlingsbegleitung in der Samtgemeinde Land Hadeln aus.
Es ist der Klassiker: Ihr Vater, ein Seemann aus Chile, legte mit seinem Schiff im Hafen von Cuxhaven an. Er ging auf Landgang, traf eine junge Cuxhavenerin,
die beiden verliebten sich und heirateten. Er entschied sich, in Deutschland zu bleiben. Noch im gleichen Jahr kam der Nachwuchs auf die Welt: Jedixa Diaz wurde im Jahr 1984 geboren. "Mein
Vater hat sich hier super integriert", sagt Jedixa Diaz. "Er hat zum Maschinenbauer umgeschult und noch 30 Jahre beim Cuxhavener Unternehmen Hebold gearbeitet."
Jedixa Diaz wuchs in Cuxhaven auf und plante, im Alter von 14 Jahren ein schulisches Austauschjahr in Chile einzulegen. "Das klappte dann leider nicht. Dennoch
bin ich für ein Jahr dort hin. So war meine Absicht", schildert sie. "Daraus wurden dann schließlich sieben Jahre", schmunzelt sie. "Während meiner Zeit in Südamerika besuchte ich eine
Wirtschaftsschule und absolvierte eine Ausbildung in Richtung Verwaltung."
Aus "nur kurz" wird "für immer"
Als sie 21 Jahre alt war, wollte Jedixa Diaz ihren Urlaub in Cuxhaven bei ihrer Familie verbringen. Aus diesem Urlaub wurde ein Bleiben für immer. Und sie
gründete ihre eigene Familie. "Mein Mann Juan ist Spanier und drei Jahre älter als ich. Wir kannten uns schon von früher. Er war ein Nachbarsjunge von mir", erzählt Jedixa Diaz. "Dann ging
ich nach Chile und ihn zog es beruflich nach Bremen", führt sie weiter aus. Als Jedixa Diaz wieder zurück in Cuxhaven war, begegneten sich die beiden zufällig wieder. Da sprang der "Funken"
über und sie heirateten im Jahr 2016. Zusätzlich zu den beiden gemeinsamen Kindern, einem fünfjährigen Sohn und einer vierjährigen Tochter, komplettiert eine 16-jährige Tochter das
Familienglück von Jedixa Diaz und ihrem Juan in Otterndorf. "In der Folge habe ich hier als Fremdsprachenkorrespondentin gearbeitet", berichtet sie.
Und wie kam es zu der Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe? "Schon seit drei Jahren bin ich nebenberuflich während meiner Elternzeit für die VHS in der
Flüchtlingshilfe tätig", sagt sie. "Somit kannte ich mich bereits mit Integration und Beratung aus." Dann bot sich Jedixa Diaz die Chance auf die Stelle als Soziale Flüchtlingsbegleitung.
Seit dem 2. Juni übt die 36-Jährige nun diese Tätigkeit aus. Ihr Arbeitgeber ist die Diakonie in Kooperation mit der Samtgemeinde Land Hadeln.
Ausstellungen in Hamburg
"Ich mag Kunst sehr gerne", nennt die aufgeschlossene junge Frau eines ihrer Hobbys, "da bin ich viel in Hamburg auf Ausstellungen in den Bereichen Fotografie
oder Gegenwartskunst unterwegs."
Lesen ist ebenfalls ein großes Thema in der Freizeit von Jedixa Diaz. "Philosophische Texte lese ich sehr gerne. Friedrich Nietzsche ist einer meiner
Lieblingsautoren." Sportlich betätigt sich Jedixa Diaz mit viel Spaß beim Basketball.
Und während man Jedixa Diaz zuhört, spürt man ihre Leidenschaft, die sie für eine Sache entwickelt. "Das ist mein südamerikanisches Temperament", lächelt sie
herzlich. Befristet ist ihre Stelle jedoch zunächst bis 31. Dezember 2021. "Hoffentlich geht es danach weiter", hofft Jedixa Diaz und betont, wie viel Spaß sie an ihrer Tätigkeit hat.
Beverstedt: Brandanschlag auf Unterkunft für Flüchtlinge
21.08.2020
BEVERSTEDT. Die Polizei nennt es "schwere Brandstiftung":
Die Beamten gehen davon aus, dass ein Unbekannter einen Anschlag auf ein Mehrfamilienhaus in Beverstedt verübt hat.
Die Tat ereignete sich am Donnerstagabend um kurz vor Mitternacht. Gegen 23.35 Uhr bemerkten Anwohner einen brennenden Gegenstand in einem auf Kipp stehenden Fenster im Erdgeschoss einer
ehemaligen Gaststätte. In dem Gebäude in der Straße An der Bundesstraße leben derzeit Flüchtlinge und Asylbewerber sowie deutsche Staatsbürger.
Bewohner unverletzt
Durch die Hitze wurden das Fensterelement und der Rahmen beschädigt. Es kam laut Polizei zu einer größeren Rauchentwicklung. Das Feuer erlosch dann aber von selbst und breitete sich nicht
weiter aus.
Das Fenster gehört zur Wohneinheit eines 30-Jährigen. Der Mann hatte zum Zeitpunkt des Brandes geschlafen. Er konnte seine Wohnung unverletzt verlassen, teilt die Polizei mit. Die Beamten
schätzen den Sachschaden auf etwa 1000 Euro.
Die Polizeiinspektion Cuxhaven hat die Ermittlungen aufgenommen. Wer die Tat verübt hat, ist noch unklar. Auch zur Motivlage des Brandstifters kann die Polizei daher noch keine Aussage
treffen. Hinweise auf fremdenfeindliche Motive lägen nicht vor.
Zeugen gesucht
Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Zeugen wenden sich an die Polizeiinspektion Cuxhaven unter Telefon (0 47 21) 57 30 oder jede andere Polizeidienststelle.
Die Polizei sieht keine "fremdenfeindliche[n] Motive". Unterkünfte sind aber keine zufälligen Ziele
solcher Anschläge, sondern deuten auf ein Motiv: Rassismus. (U.B.)
AfD-Politiker gerät bei Demonstration auf Lesbos mit Linken aneinander
Oliver Kirchner, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, und der rechte Blogger Oliver Flesch sind auf der griechischen Insel Lesbos...
Es ist das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass Rechte aus Deutschland sich auf Lesbos mit den Griechen solidarisch zeigen wollten. Am Freitag war eine
deutsche Gruppe Rechtsradikaler auf der Insel gesichtet worden, von denen einer von Inselbewohnern am Kopf verletzt worden war. Sie sollen zum Teil der Identitären Bewegung angehört haben. Diese
Bewegung wird zum rechtsextremistischen Spektrum gezählt.
Beschimpfen und beleidigen: Anfeindungen gegen Amtsträger nehmen auch in den Kreisen Stade und Harburg zu
Sie werden beschimpft, beleidigt und manchmal sogar bedroht: Unsere Bürgermeister sind immer häufiger Hass-Attacken ausgesetzt. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Anfeindungen gegenüber Amts- und Mandatsträgern stark angestiegen. Auch in den Landkreisen
Stade und Harburg sind Rathauschefs betroffen. Solche Taten seien ein „Angriff auf unsere Demokratie“, erklärte der christdemokratische Innenpolitiker Uwe Schünemann jetzt im Landtag. Die Union
will mit einer „Wertschätzungskampagne“ gegenhalten. Die Kampagne soll Teil eines „Fünf-Punkte-Plans“ sein, mit dem die CDU dem zunehmenden Trend zu verbaler und zum Teil auch physischer Gewalt gegenüber
Bürgermeistern, Bediensteten und Angehörigen von Hilfsorganisationen begegnen will. Weitere Punkte sind eine Art Selbstverpflichtung der Parlamentarier zu einem respektvollen Umgang miteinander,
die Erstellung einer „Selbstschutzfibel“ für Bürgermeister, ferner die Bereitschaft, entsprechende Übergriffe zur Anzeige zu bringen sowie diese Taten auch konsequent strafrechtlich zu verfolgen.
Die anderen Parteien signalisierten Unterstützung. Schünemann geht von jährlich rund 250 Delikten aus, die sich gegen Menschen richten, die kommunalpolitisch aktiv sind oder sich in irgendeiner Weise ehrenamtlich
engagieren, wie etwa in der Flüchtlingshilfe.
(jd/bc/kb/tk). Meist geschieht es schriftlich und anonym, in Form von Pöbel-Mails, Drohbriefen oder Hass-Postings in
den sozialen Netzwerken: Die Hetzer in unserem Land haben Hochkonjunktur. Wer ein öffentliches Amt bekleidet - egal, ob haupt- oder ehrenamtlich -, muss hierzulande inzwischen damit rechnen,
früher oder später Adressat von Hassbotschaften oder Ziel von Hetzkampagnen zu werden.
„Beleidigungen, Drohungen und tätliche Angriffe gegen Bürgermeister und Mandatsträger sind unerträglich und in keiner Weise zu rechtfertigen“, erklärte der
CDU-Innenexperte Uwe Schünemann in der Debatte. Und Innenminister Boris Pistorius (SPD) pflichtete ihm bei: „Hasskriminalität gegenüber kommunalen Mandats- und Amtsträgern, aber auch
Verwaltungsmitarbeitern, ehrenamtlichen Helfern, Rettungskräften oder Polizisten, ist nicht zu tolerieren.“ Schützenhilfe in dieser Sache kommt von den kommunalen Spitzenverbänden: „Auch in Niedersachsen wissen wir von Morddrohungen gegen ehrenamtliche Bürgermeister“,
erklärt der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), Dr. Marco Trips. Beleidigungen und Gewaltaufrufe in den sozialen Medien hätten eine völlig neue Dimension erreicht:
„Es ist erschütternd und nicht hinnehmbar, dass Menschen, die sich tagtäglich für unsere Gesellschaft einsetzen, solchen Angriffen schutzlos ausgesetzt sind“, so Trips. Der NSGB- Pressesprecher Thorsten Bullerdieck führt diese „klare Tendenz zur Verrohung der Sitten“ vor allem auf die sozialen Netzwerke zurück. Dort herrsche eine
zunehmend aufgeheizte Stimmung, so Bullerdieck. Die Folge sei schließlich, dass der Respekt vor Amtspersonen verloren gehe. Ein Blick auf einschlägige Diskussionsseiten bei Facebook und Co.
scheint diese Einschätzungen zu bestätigen: Statt sachlich zu argumentieren, wird oftmals nur Meinungsmache betrieben. Nicht selten wird Kommunalpolitikern pauschal Selbstbereicherung
vorgeworfen, ohne dafür Beweise vorzulegen. So hieß es kürzlich auf einer Facebook-Seite über Harsefeld: „Wenn es neue Wahlen gibt, sollte mal ein wenig aufgeräumt werden. So ein paar People
interessieren sich nämlich nur für ihr Geschäft und ihre Interessen und nicht für das Wohl der Bevölkerung.“
Auch in unserer Region wurden Bürgermeister, Ehrenamtliche oder Amtsträger schon bedroht. Das WOCHENBLATT fragte bei einigen nach, welche Erlebnisse sie
hatten.
Umgangston wird rauer „Sie bereichern sich persönlich, Sie kümmern sich einen Dreck um unsere Probleme“ - das sind noch die freundlichsten Anschuldigungen, die bei Buxtehudes
Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt im Mail-Postfach landen. Auch in Sitzungen der Ratsgremien würden Bürger immer öfter „einen nicht angemessenen Ton“ anschlagen. „Wir werden viel schneller
beschimpft als früher“, so Oldenburg-Schmidt. Was in den sozialen Netzwerken geschehe, nämlich Beleidigungen ohne Folgen, würde auch im persönlichen Umgang mit Kommunalpolitkern und Verwaltungsmitarbeitern
praktiziert. „Ich kann alles raushauen und das hat keine Konsequenzen“, sei eine Haltung, die zunehmend um sich greife, so Oldenburg-Schmidt. Eine Anzeige habe sie noch nicht erstattet: „Manche
Beleidigungen sollten wir einfach schnell vergessen.“
Anonyme Drohbriefe Ein dickes Fell in Sachen Beleidigungen hat sich auch der Buchholzer Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse zugelegt: „Ich musste mir auch schon
Titulierungen wie 'Ar*** mit Ohren' anhören. In dieser Hinsicht bin ich nicht sehr empfindlich und ich sehe einfach darüber hinweg.“ Nicht darüber hinwegsehen kann Röhse in einem anderen Fall:
Die Stadt hatte eine Fläche im Ortszentrum an einen Investor verkauft, der dort Häuser mit Wohnungen u.a. für anerkannte Flüchtlinge errichten will. Dass passte einigen offenbar nicht. „Ich erhielt anonyme Drohbriefe, dass man mein Haus anzünden
will“, berichtet Röhse. Er selbst könne einiges wegstecken, doch wenn man seine Familie bedrohe, werde eine Grenze überschritten. Da es sich um „rechte, fremdenfeindliche Hetze“
gehandelt habe, sei der Staatsschutz eingeschaltet worden.
Die Autoreifen zerstochen Ähnliche Bedrohungen aus dem rechten Lager hat auch Harsefelds ehrenamtlicher Bürgermeister Michael Ospalski schon erlebt: „Als eine Gruppe von
Neonazis nachts vor unserer Asylbewerber-Unterkunft aufmarschieren wollte, habe ich die Polizei gerufen.“ Kurz darauf seien alle vier Reifen
an seinem Auto zerstochen und der Lack zerkratzt worden. Der Wagen parkte auf seiner Hauseinfahrt. Die Täter wussten also, wo Ospalski wohnt. „Ich selbst bin auch bei wüsten Beschimpfungen hart
im Nehmen, doch wenn die Familie bedroht wird, ist Schluss mit lustig.“
Besuch von Rockern Auch Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber sieht sich in jüngster Vergangenheit immer öfter barscher Kritik über moderne Medien ausgesetzt - aufgrund der
bundesweiten Berichterstattung über die Kritik an der Straßenausbau-Beitragssatzung auch von Bürgern, die Stade im Zweifel noch nie besucht haben. Nach einem RTL-Bericht fegte ihr ein
regelrechter Shitstorm ins Gesicht. Es wurde ihr sogar Besuch von einer berüchtigten Rockergruppe angedroht. „Amtsträger und gewählte Politiker müssen mehr Kritik als andere aushalten können. Keine Frage. Aber es gibt Grenzen, wie z.B. Bedrohungen, persönliche
Beleidigungen und Kritik unterhalb der Gürtellinie.“ Völlig unverständlich sei es ihr, wenn Wutbürger ohne eine Auseinandersetzung mit den Fakten draufhauen: „Da wird jeder verkürzten Fake-News
mehr Glauben geschenkt als den Fakten“, so Nieber.
Wird es eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen geben? 5.2.2020
FDP-Politiker Thomas Kemmerich ist völlig überraschend im Thüringer Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt worden – mit den Stimmen der AfD. SPD, Grüne und Linke
reagieren entsetzt. Kemmerich selbst bezeichnet sich als „Anti-AfD, Anti-Höcke“.
Politisches Beben in Thüringen:
Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten ist überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt worden. Er setzte sich bei der Abstimmung am
Mittwoch im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und der AfD von Parteichef Björn Höcke gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Der
von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme.
Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt 45 Stimmen. Es gab
eine Enthaltung.
Die FDP hatten den Einzug ins Parlament bei der Wahl im vergangenen Herbst nur denkbar knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um nur 73 Stimmen übersprungen.
Ramelows angepeiltes Bündnis von Linke, SPD und Grünen verfügte nach dem Urnengang nur noch über 42 von 90 Mandaten im Landtag. Allerdings hatten Christdemokraten und Liberale kategorisch
ausgeschlossen, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf 48 Sitze.
Zahlreiche Zwischenrufe unterbrachen Kemmerichs erste Ansprache im Parlament. „Heuchler“ und „Scharlatan“ hieß es, die Parlamentspräsidentin musste zur Ordnung
rufen. „Die Brandmauer zwischen den Extremen hat Bestand“, sagte Kemmerichs und grenzte sich von jeder Art von Radikalismus und Faschismus ab. Er lade nun CDU, SPD und Grüne zur Regierungsbildung
ein. Anschließend bat er um eine Vertagung der Parlamentssitzung.
Die Grünen und die SPD hatten schon vorher angekündigt, unter einem Ministerpräsidenten Kemmerich auf jeden Fall in die Opposition zu wechseln. Die CDU bot der FDP
die Zusammenarbeit an, lehnte ein Bündnis mit der AfD aber ab. Anders als zunächst geplant sollten nun am Mittwoch laut Staatskanzlei keine Minister ernannt werden. Auch eine Kabinettssitzung
werde nicht stattfinden, hieß es in einer Mitteilung der Regierungszentrale in Erfurt.
Auf die Frage, ob er einen Tabubruch begangen habe, sagte Kemmerich anschließend auf einer Pressekonferenz, er hätte sich in einer geheimen Wahl gestellt – das sei
das „gute Recht eines Demokraten“. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss er kategorisch aus: "Wir werden keine Politik mit der AfD betreiben, in keiner erdenkbaren Form." Außerdem sagte
Kemmerich nach seiner Wahl am Mittwoch: „Die Brandmauern gegenüber der AfD bleiben bestehen.“ Und: „Ich bin Anti-AfD, Anti-Höcke.“
„Die Masken sind gefallen“
SPD, Grüne und Linke reagierten entsetzt auf die Wahl. „Der Tabubruch, der AfD zu echter Macht verholfen zu haben, wird nun für immer mit CDU und FDP
verbunden sein. Die Masken sind gefallen. Es werden jetzt spannende Tage. Wachsamkeit ist das Gebot der Stunde“, twitterte Juso-Chef Kevin Kühnert.
Generalsekretär Lars Klingbeil sprach mit Blick auf die Ereignisse vom „historischen Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Bundesaußenminister Heiko Maas
(SPD) nannte diese „komplett verantwortungslos“. Auf Twitter schrieb er weiter: „Gegen die AfD müssen alle Demokraten geschlossen zusammenstehen – wer das nicht versteht, hat aus unserer
Geschichte nichts gelernt.“
Der SPD-Kovorsitzender Norbert Walter-Borjans forderte die Parteizentralen von CDU und FDP in Berlin zum Eingreifen auf. Diese dürften sich „nicht wegschleichen“.
Auch SPD-Kovorsitzende Saskia Esken bezeichnete die Vorgänge als „Dammbruch“. Sie kündigte an, die Wahl in einem Koalitionsausschuss mit der Union zum Thema zu machen. Die Wahl sei ein
abgekartetes Spiel und müsse korrigiert werden, schrieb sie auf Twitter.
Auch die Bundes-CDU kritisierte die Wahl scharf. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, die Fraktion habe „ausdrücklich gegen die Empfehlungen,
Forderungen und Bitten der Bundespartei“ gehandelt, betonte die Parteivorsitzende am Mittwoch in Straßburg. Sie sei der Auffassung, „dass man darüber reden muss, ob neue Wahlen nicht der
sauberste Weg aus dieser Situation sind“.
Kritisch äußerte sich auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er sieht den Ausgang der Wahl als „Ergebnis von Eigensinn und Unvernunft auf
allen Seiten“. „Das ist kein guter Tag für Thüringen“, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die dortige CDU habe nicht akzeptiert, dass sie die Wahl verloren habe und es keine
Zusammenarbeit mit der AfD geben könne, kritisierte er.
Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstand, sieht die Wahl von Kemmerich kritisch. Sie schätze Thomas Kemmerich zwar persönlich, die Wahl
durch Personen wie Björn Höcke sei jedoch unter Demokraten „inakzeptabel und unerträglich“, schrieb Strack-Zimmermann auf Twitter.
Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring verteidigte die Entscheidung seiner Partei, Kemmerich zu unterstützen. Eine Koalition mit der AfD lehne seine Partei
aber weiterhin ab. Kemmerich müsse deutlich machen, „dass es keine Koalition mit der AfD gibt“, sagte Mohring, und weiter: „Wir sind nicht verantwortlich für das Wahlverhalten anderer
Parteien.“
AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagte, seine Partei sei angetreten, den bisherigen Ministerpräsidenten und Linke-Politiker Bodo Ramelow in den Ruhestand zu
schicken. „Deswegen haben wir die Wahl heute so getätigt wie wir sie getätigt haben“, sagte Höcke.
Die AfD-Fraktion im Bundestag wertete die Abwahl Ramelows als Erfolg für sich. „An der AfD führt kein Weg mehr vorbei“, schrieb die Kofraktionsvorsitzende Alice
Weidel ebenfalls auf Twitter.
Kemmerich ist erst der zweite FDP-Ministerpräsident
In der Bundesrepublik gab es mit Reinhold Maier bisher erst einen gewählten FDP-Ministerpräsidenten. Er war von 1945-1952 Regierungschef von Württemberg-Baden
und dann von April 1952 bis September 1953 Ministerpräsident des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg. In Württemberg-Baden hießen die Liberalen allerdings DVP, erst mit der Gründung
Baden-Württembergs 1952 wurde ein Landesverband der FDP gegründet. Außerdem gab es noch einige kommissarische Ministerpräsidenten der Liberalen, die aber immer nur wenige Tage im Amt
waren.
Ramelow hatte eigentlich eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen unter seiner Führung angepeilt. Wegen der fehlenden Mehrheit hatte auch die AfD
mit dem parteilosen Kindervater einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Nachdem Ramelow in den beiden ersten Wahlgängen erwartungsgemäß die absolute Mehrheit verfehlt hatte, warf
Kemmerich im dritten Wahlgang ebenfalls seinen Hut in den Ring.
Ramelow war seit 2014 Regierungschef des Freistaats und der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Doch obwohl seine Partei mit 31 Prozent die Wahl
im Herbst 2019 klar gewonnen hatte, ging die Mehrheit der bisherigen Regierung von Linke, SPD und Grünen verloren. Dennoch hatten die bisherigen Koalitionspartner am Dienstag einen neuen
Regierungsvertrag unterschrieben.
Titel erhalten: BBS Cadenberge sind eine "Schule ohne Rassismus"
Die Berufsbildenden Schulen (BBS) Cadenberge sind eine "Schule ohne Rassismus". Die Schule bekam nun den Titel offiziell verliehen.
"Rassismus ist ein schwieriges Wort. Es fängt aber genau da an, wo die Rechte eines Menschen eingeschränkt werden", sagte Ansgar Cudok, Schulleiter der Berufsbildenden Schulen (BBS)
Cadenberge, zu Beginn seiner Rede im Rahmen der Verleihung des Titels "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage".
Als prominenten Paten konnte die BBS Cadenberge für dieses Projekt die Fischtown Pinguins, das Bundesliga-Eishockeyteam aus Bremerhaven, gewinnen. Das Projektteam der Schule, das maßgeblich
am Zustandekommen beteiligt war, bestand aus den Lehrern Niels Ahlff, Andreas Schaper, Elgin Getsch und Silvia Tiedemann sowie dem Schulsozialarbeiter Carsten Schlomm, der Schülerin Saskia
Hagenah und dem Schulsprecher Lars Schmidt.
CUXHAVEN. Als Teil der "Seebrücke" solidarisiert sich die Stadt Cuxhaven mit Flüchtlingen und Seeleuten, die zu Rettern werden.
Über dem Tohuwabohu in der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag, in der ein Soldat zu schreien begonnen hatte (wir berichteten), geriet der Beschluss fast in Vergessenheit: Nach abrupt
beendeter Debatte sprach sich der Rat mehrheitlich dafür aus, dass sich die Stadt Cuxhaven der Initiative "Seebrücke" anschließen soll.
Das bedeutet, dass sie sich gegebenenfalls bereit erklärt, aus dem Mittelmeer gerettete Schiffbrüchige aufzunehmen und dass sie die Bundesregierung in ihren Bemühungen um eine "solidarische,
humanitäre und europäische Flüchtlingspolitik" unterstützt, hieß es im gemeinsamen Antrag der SPD und Grünen.
Mit den ertrinkenden Menschen konfrontiert zu werden, sei ein großes Dilemma auch für Seeleute, konkretisierte Bernd Jothe, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die Hintergründe. "Wir verlieren
die Sensibilität. 2000 Menschen (laut Antragsvorlage 2275 im Jahr 2018; d. Red) ertrinken und wir gehen zur Tagesordnung über."
Jothe wies auf das Engagement sozialer Initiativen und vieler Kirchen für Menschen auf der Flucht und in Seenot sowie Helfer hin und zitierte den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder
mit dem Satz, es sei eines christlichen Europas unwürdig, Menschen ertrinken zu lassen. Bereits rund 50 Kommunen in Deutschland hätten sich der "Seebrücke" angeschlossen und sich so zu
"Sicheren Häfen" erklärt; Cuxhaven solle das auch tun.
"Nicht freiwillig"
Vor allem, so lange es noch keine europäische Lösung gebe, stellte Ulrike Hogrefe für die SPD-Fraktion fest. "Das Problem geht uns ebenso an wie die Hafenstädte am Mittelmeer." Sie erinnerte
an die Not, die die Menschen in die Boote treibe: "Wer setzt sich schon freiwillig einem solchen Risiko aus?", und versetzte sich in die Lage der Seeleute: "Sie müssen schwierige Rettungen
bewältigen und können das Leid nicht verkraften." Was diese auszustehen hätten, beweise das Zitat eines Seemanns: "Ich kann und will nicht mehr über Kinderrucksäcke fahren."
Thiemo Röhler, Fraktionsvorsitzender der CDU, bekundete "großes Verständnis" für die Inhalte des Antrags. Allerdings sei die Stadt Cuxhaven ebenso nachvollziehbar nicht zuständig für eine
Lösung des Flüchtlingsdilemmas; es müsse endlich eine europäische Lösung her. "Wir haben schon Verantwortung in besonderem Maße übernommen." Er kündigte Enthaltungen der
CDU-Fraktionsmitglieder an.
"Bund soll mehr tun"
"Auch wir tun uns schwer, dem Antrag zu folgen", bekundete Peter Altenburg (Die Cuxhavener); einen Fraktionszwang gebe es für die Abstimmung aber nicht. Unbestritten sei, dass keine Menschen
in Not zurückgelassen werden dürften. Er aber hätte sich eine deutlichere Aufforderung an die Bundesregierung gewünscht, ihre Aufgabe besser zu erledigen. Mit den Worten "Ich stimme meinem
Vorredner ausdrücklich zu", begann AfD-Fraktionsvorsitzender Anton Werner Grunert, was Peter Altenburg mit dem Satz "Das macht mich traurig" quittierte. Über die Inhalte des AfD-Gegenantrags
haben wir am Sonnabend ausführlich berichtet. Weit ausschweifend, unter anderem mit dem Hinweis auf Sicherheitsrisiken, zählte Grunert auf, warum keine weiteren Flüchtlinge aufgenommen werden
sollten.
Seine Ausführungen wollte sich nicht jedes Ratsmitglied im Saal anhören. In der weiteren Debatte kam es zum Eklat durch den aus dem Publikum schreienden Mann im Kampfanzug, der erst nach
mehrfacher Aufforderung die Zuschauerreihen verließ.
Auch Oberbürgermeister Dr. Ulrich Getsch hob schließlich die Hand für den Beitritt zur "Seebrücke". Er machte kurz den Grund für seine Position deutlich. Als Vorsitzender des Fördervereins
der Seemannsmission sei für ihn klar, Seeleute in den Gebieten zu unterstützen, in denen Menschen ums Überleben kämpften: "Sie helfen ihnen und müssen sich sicher sein, dass sie sie in einem
Hafen an Land bringen können", bekräftigte er am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung.
CUXHAVEN. Ein Zuhörer in Uniform hat im Cuxhavener Stadtrat für Verstörung gesorgt. Der Mann sprang während der Sitzung auf, schrie herum und bepöbelte die
Politiker.
Bei dem mit Flecktarn-Anzug bekleideten Mann soll es sich um einen Bundeswehrangehörigen handeln.
Zu besagtem Zwischenfall kam es, als Ratsmitglieder am Donnerstagabend über das Thema Flüchtlinge stritten. Zu einem Papier von SPD und Grünen hatte die AfD-Ratsfraktion einen Gegenantrag
formuliert: Anstatt sich mit der Hilfsinitiative "Seebrücke" zu solidarisieren, forderte die AfD-Fraktion den Rat dazu auf, sich fortan gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Cuxhaven zu
stellen. Demonstrativ erhoben sich daraufhin einige SPD-Leute von ihren Plätzen. Als sie den Saal verlassen wollten, sprang im Zuschauerbereich ein Mann auf: "Bleiben Sie hier und hören zu!",
herrschte er die im Gehen begriffenen Ratsleute an. Ratsvorsitzende Beatrice Lohmann verwies den in Feldanzug und Kampfstiefeln auftretenden Störer des Saales. Erst als der Oberbürgermeister
aufstand und der Aufforderung Nachdruck verlieh, beugte sich der hochgewachsene Besucher dem Hausrecht. Sein Auftritt hinterließ im Plenum Fassungslosigkeit. "Ist der überhaupt von der
Bundeswehr?", lautete ein Frage, die vielen auf den Lippen lag und am Freitag offiziell beantwortet wurde. Ein Sprecher der 1. Panzerdivision aus Oldenburg erklärte gegenüber unserer Zeitung,
dass seine Dienststelle davon ausgehe, dass es sich bei dem Mann um einen Soldaten seines Verbandes handele. "Wir werden den Vorfall vollständig aufklären", betonte der Sprecher und ließ
keinen Zweifel daran, dass man die Sache ernst nehme.
Ratsvorsitzende Beatrice Lohmann (CDU) rang sichtlich um Fassung, nachdem ein in Soldatenuniform gekleideter Zwischenrufer endlich nach mehrfacher Aufforderung den Saal verlassen hatte: "Das
ist mir in meiner gesamten Zeit im Rat noch nicht passiert. Wenn wir so weit sind, dass wir hier nicht mehr frei diskutieren können, haben wir ein Sicherheitsproblem."
Fassungslosigkeit herrschte am Donnerstagabend auch in Reihen der Ratsmitglieder und Zuhörerschaft. Aber nicht nur über das aggressive Auftreten eines
Zwischenrufers, sondern auch über das, was AfD-Fraktionsvorsitzender Anton Werner Grunert und Fraktionskollege Walter Kopp zuvor inhaltlich vorgetragen hatten.
Es ging darum, ob sich die Stadt Cuxhaven dem Bündnis "Seebrücke" anschließen und bereit erklären soll, aus dem Mittelmeer gerettete Menschen aufzunehmen. Dafür hatten sich SPD und Grüne in
einem Antrag ausgesprochen. Bernd Jothe, Fraktionsvorsitzender der "Grünen", und Ulrike Hogrefe von der SPD hatten schon ihre Argumente vorgebracht, ebenso Thiemo Röhler von der CDU und Peter
Altenburg von den "Cuxhavenern", bevor Anton Werner Grunert zu seiner Gegenrede ansetzte, die die AfD auch als Antrag eingebracht hatte.
Vier DIN-A 4-Seiten, nachzulesen im Ratsinformationssystem der Stadt, umfasst die Antragsbegründung; Grunert zitierte Teile daraus in der Ratssitzung und
bezeichnete das Anliegen von SPD und Grünen als "größten Fehler in der deutschen Politik seit 1945". Schiffbrüchige im Mittelmeer "gerieten" seiner Auffassung nach nicht in Seenot, sondern
stiegen freiwillig in die Boote.
Schon während Grunert Fluten von "Wirtschaftsflüchtlingen", "Straßenzüge, in denen nichts mehr an Deutschland erinnere", die Explosion der Sozialsysteme
und der Kriminalität prophezeite, verließen einige Mitglieder der SPD-Fraktion aus Protest den Ratssaal, Frauen im Zuhörerraum kamen die Tränen. Die Situation eskalierte, als Walter Kopp
(AfD) zehn angebliche "Fragen eines Bürgers" vortrug, unter anderem die, ob künftig Krankheiten wie Krätze, Tbc, HIV oder Hepatitis B die deutsche Bevölkerung gefährden
würden.
Das Stichwort "Krätze", das sich auch in der Rückschau bei allen Zuhörenden eingeprägt hat, löste Empörung aus. "Das konnte ich nicht mehr aushalten",
sagt SPD-Ratsherr Andreas Wichmann. Als er aufstand, um herauszugehen, pöbelte der Mann im Zuschauerraum los. Was er genau rief, ist nur in Bruchteilen überliefert, "das Ganze war ja absolut
surreal", sagen Zeugen. "Sie bleiben hier!" hat Andreas Wichmann gehört und auch "denken Sie drüber nach, was das für Konsequenzen hat". Wichmann: "Ich habe mich bedroht
gefühlt."
Zuhörerinnen, die in der Nähe des Mannes gesessen hatten, berichteten, dass er sie mit dem Satz "Heul doch!" angefahren habe. Deutlich vernehmlich war der Satz "Ich habe fünf Freunde
verloren" und die Erwähnung des Ortes Kirkuk, ein Einsatzgebiet der Bundeswehr im Irak. Nach Informationen der Bundeswehr gehört der Mann einem Truppenverband an, dessen Mitglieder
Auslandseinsätze betreiten. Aus dem Rathaus zu Hilfe gerufene Polizeibeamte trafen den Uniformierten später vor dem Gebäude an und nahmen dessen Personalien auf.
In aufgewühlter Stimmung nahmen die Ratsmitglieder die weiteren Ausführungen Walter Kopps auf, wobei auch die Äußerung "Volksverhetzung"
fiel. Ein Antrag auf Schluss der Debatte stoppte weitere Ausführungen, bevor der Rat bei einigen Gegenstimmen den ursprünglichen Antrag und damit Cuxhavens Mitgliedschaft in
der "Seebrücke" annahm (Bericht folgt).
Beatrice Lohmann hatte am Donnerstag schon zuvor mehrfach Zuhörer zur Ordnung gerufen. "Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass der Rat frei und unbeeinflusst diskutieren kann."
Und das passiert leider auch mitten in Deutschland
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"WIR WERDEN DICH TÖTEN"
Flüchtlingsanwalt erhält 3.000 Hassmails pro Tag
Seit bekannt wurde, dass Rechtsanwalt Engin Şanlı den in Ellwangen festgenommenen togoischen Flüchtling vertreten hat, hagelt es Hassmails. Der Anwaltsverein kritisiert CSU-Politiker
Dobrindt, der Juristen als „Abschiebe-Saboteure“ bezeichnet hatte.
Der Stuttgarter Rechtsanwalt Engin Şanlı sieht sich nach seinem
Mandat für einen Flüchtling aus Togo einer Welle des Hasses ausgesetzt. Er bekomme derzeit rund 3.000 Hassmails pro Tag, sagte Sanli am Mittwoch in Stuttgart. In einer Mail habe es
geheißen „Wir werden dich töten, Volksverräter“, zudem sei der Einsatz einer Autobombe angedroht worden.
Am 07.04.2018 hatte Jörg Leumann vom OHA die Gelegenheit, mit Unterstützung von Rabea Carrero – DRK Koordinierungsstelle für Flüchtlingswesen – die umfangreiche Arbeit der Initiative Offenes
Herz Altenwalde bei den Landfrauen Wanna und Umgebung vorzustellen. Für die geplante Höfetour 2018 werden sicherlich interessierte Betriebe aus der Landwirtschaft gewonnen werden können. Die
Damen zeigten sich sehr interessiert und werden mit OHA Kontakt aufnehmen. Jörg Leumann: " Das war ein toller Vormittag bei Euch! Vielen Dank!"
Beschimpfen und beleidigen: Anfeindungen gegen Amtsträger nehmen auch in den Kreisen Stade und Harburg zu
„Ich erhielt anonyme Drohbriefe, dass man mein Haus anzünden will“, berichtet Röhse. Er selbst könne einiges wegstecken, doch wenn man seine Familie
bedrohe, werde eine Grenze überschritten. Da es sich um „rechte, fremdenfeindliche Hetze“ gehandelt habe, sei der Staatsschutz eingeschaltet worden.
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Sie werden beschimpft, beleidigt und manchmal sogar bedroht: Unsere Bürgermeister sind immer häufiger Hass-Attacken ausgesetzt. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Anfeindungen gegenüber Amts- und Mandatsträgern stark angestiegen. Auch in den Landkreisen
Stade und Harburg sind Rathauschefs betroffen. Solche Taten seien ein „Angriff auf unsere Demokratie“, erklärte der christdemokratische Innenpolitiker Uwe Schünemann jetzt im Landtag. Die Union
will mit einer „Wertschätzungskampagne“ gegenhalten. Die Kampagne soll Teil eines „Fünf-Punkte-Plans“ sein, mit dem die CDU dem zunehmenden Trend zu verbaler und zum Teil auch physischer Gewalt gegenüber
Bürgermeistern, Bediensteten und Angehörigen von Hilfsorganisationen begegnen will. Weitere Punkte sind eine Art Selbstverpflichtung der Parlamentarier zu einem respektvollen Umgang miteinander,
die Erstellung einer „Selbstschutzfibel“ für Bürgermeister, ferner die Bereitschaft, entsprechende Übergriffe zur Anzeige zu bringen sowie diese Taten auch konsequent strafrechtlich zu verfolgen.
Die anderen Parteien signalisierten Unterstützung. Schünemann geht von jährlich rund 250 Delikten aus, die sich gegen Menschen richten, die kommunalpolitisch aktiv sind oder sich in irgendeiner Weise ehrenamtlich
engagieren, wie etwa in der Flüchtlingshilfe.
(jd/bc/kb/tk). Meist geschieht es schriftlich und anonym, in Form von Pöbel-Mails, Drohbriefen oder Hass-Postings in
den sozialen Netzwerken: Die Hetzer in unserem Land haben Hochkonjunktur. Wer ein öffentliches Amt bekleidet - egal, ob haupt- oder ehrenamtlich -, muss hierzulande inzwischen damit rechnen,
früher oder später Adressat von Hassbotschaften oder Ziel von Hetzkampagnen zu werden.
„Beleidigungen, Drohungen und tätliche Angriffe gegen Bürgermeister und Mandatsträger sind unerträglich und in keiner Weise zu rechtfertigen“, erklärte der
CDU-Innenexperte Uwe Schünemann in der Debatte. Und Innenminister Boris Pistorius (SPD) pflichtete ihm bei: „Hasskriminalität gegenüber kommunalen Mandats- und Amtsträgern, aber auch
Verwaltungsmitarbeitern, ehrenamtlichen Helfern, Rettungskräften oder Polizisten, ist nicht zu tolerieren.“ Schützenhilfe in dieser Sache kommt von den kommunalen Spitzenverbänden: „Auch in Niedersachsen wissen wir von Morddrohungen gegen ehrenamtliche Bürgermeister“,
erklärt der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), Dr. Marco Trips. Beleidigungen und Gewaltaufrufe in den sozialen Medien hätten eine völlig neue Dimension erreicht:
„Es ist erschütternd und nicht hinnehmbar, dass Menschen, die sich tagtäglich für unsere Gesellschaft einsetzen, solchen Angriffen schutzlos ausgesetzt sind“, so Trips. Der NSGB- Pressesprecher Thorsten Bullerdieck führt diese „klare Tendenz zur Verrohung der Sitten“ vor allem auf die sozialen Netzwerke zurück. Dort herrsche eine
zunehmend aufgeheizte Stimmung, so Bullerdieck. Die Folge sei schließlich, dass der Respekt vor Amtspersonen verloren gehe. Ein Blick auf einschlägige Diskussionsseiten bei Facebook und Co.
scheint diese Einschätzungen zu bestätigen: Statt sachlich zu argumentieren, wird oftmals nur Meinungsmache betrieben. Nicht selten wird Kommunalpolitikern pauschal Selbstbereicherung
vorgeworfen, ohne dafür Beweise vorzulegen. So hieß es kürzlich auf einer Facebook-Seite über Harsefeld: „Wenn es neue Wahlen gibt, sollte mal ein wenig aufgeräumt werden. So ein paar People
interessieren sich nämlich nur für ihr Geschäft und ihre Interessen und nicht für das Wohl der Bevölkerung.“
Auch in unserer Region wurden Bürgermeister, Ehrenamtliche oder Amtsträger schon bedroht. Das WOCHENBLATT fragte bei einigen nach, welche Erlebnisse sie
hatten.
Umgangston wird rauer „Sie bereichern sich persönlich, Sie kümmern sich einen Dreck um unsere Probleme“ - das sind noch die freundlichsten Anschuldigungen, die bei Buxtehudes
Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt im Mail-Postfach landen. Auch in Sitzungen der Ratsgremien würden Bürger immer öfter „einen nicht angemessenen Ton“ anschlagen. „Wir werden viel schneller
beschimpft als früher“, so Oldenburg-Schmidt. Was in den sozialen Netzwerken geschehe, nämlich Beleidigungen ohne Folgen, würde auch im persönlichen Umgang mit Kommunalpolitkern und Verwaltungsmitarbeitern
praktiziert. „Ich kann alles raushauen und das hat keine Konsequenzen“, sei eine Haltung, die zunehmend um sich greife, so Oldenburg-Schmidt. Eine Anzeige habe sie noch nicht erstattet: „Manche
Beleidigungen sollten wir einfach schnell vergessen.“
Anonyme Drohbriefe Ein dickes Fell in Sachen Beleidigungen hat sich auch der Buchholzer Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse zugelegt: „Ich musste mir auch schon
Titulierungen wie 'Ar*** mit Ohren' anhören. In dieser Hinsicht bin ich nicht sehr empfindlich und ich sehe einfach darüber hinweg.“ Nicht darüber hinwegsehen kann Röhse in einem anderen Fall:
Die Stadt hatte eine Fläche im Ortszentrum an einen Investor verkauft, der dort Häuser mit Wohnungen u.a. für anerkannte Flüchtlinge errichten will. Dass passte einigen offenbar nicht. „Ich erhielt anonyme Drohbriefe, dass man mein Haus anzünden
will“, berichtet Röhse. Er selbst könne einiges wegstecken, doch wenn man seine Familie bedrohe, werde eine Grenze überschritten. Da es sich um „rechte, fremdenfeindliche Hetze“
gehandelt habe, sei der Staatsschutz eingeschaltet worden.
Die Autoreifen zerstochen Ähnliche Bedrohungen aus dem rechten Lager hat auch Harsefelds ehrenamtlicher Bürgermeister Michael Ospalski schon erlebt: „Als eine Gruppe von
Neonazis nachts vor unserer Asylbewerber-Unterkunft aufmarschieren wollte, habe ich die Polizei gerufen.“ Kurz darauf seien alle vier Reifen
an seinem Auto zerstochen und der Lack zerkratzt worden. Der Wagen parkte auf seiner Hauseinfahrt. Die Täter wussten also, wo Ospalski wohnt. „Ich selbst bin auch bei wüsten Beschimpfungen hart
im Nehmen, doch wenn die Familie bedroht wird, ist Schluss mit lustig.“
Besuch von Rockern Auch Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber sieht sich in jüngster Vergangenheit immer öfter barscher Kritik über moderne Medien ausgesetzt - aufgrund der
bundesweiten Berichterstattung über die Kritik an der Straßenausbau-Beitragssatzung auch von Bürgern, die Stade im Zweifel noch nie besucht haben. Nach einem RTL-Bericht fegte ihr ein
regelrechter Shitstorm ins Gesicht. Es wurde ihr sogar Besuch von einer berüchtigten Rockergruppe angedroht. „Amtsträger und gewählte Politiker müssen mehr Kritik als andere aushalten können. Keine Frage. Aber es gibt Grenzen, wie z.B. Bedrohungen, persönliche
Beleidigungen und Kritik unterhalb der Gürtellinie.“ Völlig unverständlich sei es ihr, wenn Wutbürger ohne eine Auseinandersetzung mit den Fakten draufhauen: „Da wird jeder verkürzten Fake-News
mehr Glauben geschenkt als den Fakten“, so Nieber.
Statistisches Bundesamt1,6 Millionen Menschen suchen Schutz in Deutschland
Das Statistische Bundesamt hat nachgerechnet: 1,6 Millionen Menschen suchen in Deutschland Schutz.
Rund die Hälfte kommt aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, fast zwei Drittel sind Männer.
Bislang gab es nur ungenaue Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland Schutz suchen. Nun hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erstmals eine
belastbare Statistik veröffentlicht. Demnach leben rund 1,6 Millionen schutzsuchende Menschen in Deutschland.
Damit hält sich etwa jeder sechste Ausländer (16 Prozent) aus humanitären Gründen in der Bundesrepublik auf. Die Zahl dieser Menschen stieg innerhalb von zwei
Jahren um 851.000 beziehungsweise 113 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Grundlage für die Berechnungen sind die Erhebungen des Ausländerzentralregisters von Ende 2014 bis Ende 2016.
Etwa die Hälfte der Schutzsuchenden kommt aus drei Ländern: Syrien, Afghanistan und dem Irak. Fast zwei Drittel sind Männer.
Wer gilt als Schutzsuchender?
Als betroffen gelten Asylsuchende, deren Verfahren läuft, sowie abgelehnte Asylbewerber, die noch nicht ausgereist sind oder abgeschoben wurden. Anerkannte
Flüchtlinge nach der Genfer Konvention und subsidiär Schutzberechtigte gehören auch dazu. 392.000 Ausländer seien in der Statistik allerdings nicht berücksichtigt worden, weil sich nicht
eindeutig bestimmen ließ, ob sie aus humanitären Gründen in Deutschland sind.
Bei 158.000 Flüchtlingen wurde der Antrag auf Asyl abgelehnt. Sie sind damit grundsätzlich ausreisepflichtig. Bei drei Viertel von ihnen (118.000) war diese
Ausreisepflicht aufgrund einer Duldung jedoch vorübergehend ausgesetzt.
Zahl der Schutzsuchenden steigt in Ostdeutschland stärker
In den ostdeutschen Bundesländern stieg die Zahl der Schutzsuchenden von 2014 bis Ende 2016 um 153 Prozent und damit deutlich stärker als in Westdeutschland
einschließlich Berlin mit einem Plus von 107 Prozent. Allerdings fiel der Anstieg in Ostdeutschland höher aus, weil dort im Jahr 2014 anteilig sehr viel weniger Schutzsuchende registriert
waren.
Den größten prozentualen Zuwachs gab es demnach binnen zweier Jahre in Brandenburg (plus 180 Prozent), den niedrigsten in Hamburg (plus 73 Prozent). In absoluten
Zahlen lebten 2016 die meisten Schutzsuchenden in Nordrhein-Westfalen (429.000), die wenigsten in Bremen (23.000 Personen). Der Anteil der Schutzsuchenden an allen Ausländern war in
Sachsen-Anhalt mit 37 Prozent am höchsten und in Bayern mit elf Prozent am niedrigsten.
Der nun öffentlich gewordene Ad-hoc-Prüfungsbericht des Bundesamtes infolge des Falles Franco A. bestätigt, was PRO ASYL und andere Organisationen in der Flüchtlingsarbeit schon lange
kritisieren.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat auf Weisung des Bundesinnenministeriums 2.000 positiv beschiedene Fälle syrischer und afghanischer Flüchtlinge
untersucht. Die interne Revision hat Mängel offengelegt,
auf die in der Flüchtlingsarbeit tätigen Organisationen schon lange hingewiesen haben: Mangelhafte Sachverhaltsaufklärung, unvollständige Dokumentation der Anhörungen und
Bescheide allein auf Textbausteinbasis.
Es ist davon auszugehen, dass die beim BAMF existierenden Qualitätsmängel tausendfach zur Ablehnung geführt haben.
Wenn schon bei anerkennenden Entscheidungen nur unzureichend die Fluchtgründe ermittelt wurden, dann betrifft dies erst recht die abgelehnten. Es ist davon auszugehen,
dass die beim BAMF existierenden Qualitätsmängel tausendfach zur Ablehnung geführt haben. Bei Asylentscheidungen geht es um Schutz oder ein Leben in Unsicherheit. Vor
allem die Behördenfehler bei den zu Unrecht Abgelehnten müssen korrigiert werden.
Im Jahre 2017 wurden bislang 106.000 Asylanträge
abgelehnt, im Jahr 2016 rund 174.000.
Afghan*innen waren von Ablehnungen besonders betroffen: 2016 gab es rund 25.000 Ablehnungen, 2017 wurden bis April rund 32.000 Afghan*innen abgelehnt. Die fehlerhafte
Arbeitsweise dürfte sich aber auch bei anderen Herkunftsländern ausgewirkt haben. Eine Überprüfung und Neubearbeitung aller negativen Bescheide aus den Jahren 2016 und
2017 ist dringend geboten.
MÄNGEL SCHON LANGE BEKANNT
Die jetzt veröffentlichte Mängelliste beim BAMF offenbart nichts Neues. Das »Memorandum für faire und sorgfältige Asylverfahren
in Deutschland« von PRO ASYL, Wohlfahrtsverbänden, Anwalts- und Richtervereinigungen sowie Menschenrechtsorganisationen hat im November 2016 die gravierenden
Mängel beim BAMF offengelegt. Die Organisationen beklagen seit Jahren, dass die Asylverfahren den Qualitätsstandards nicht entsprechen. Obwohl der Bericht der
Innenrevision von dem Bemühen geprägt ist, aufgedeckte Mängel kleinzureden zu relativieren, werden strukturelle Mängel deutlich.
Laut Untersuchung fehlte eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung in 41 Prozent der untersuchten Afghanistan-Fälle. Genau das ist einer der zentralen Kritikpunkte von PRO
ASYL seit Jahren.
KEINE QUALITÄTSKONTROLLE
Die Aufklärung der Fluchtgründe ist unzureichend. Laut Untersuchung fehlte eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung in 41 Prozent der untersuchten Afghanistan-Fälle. Genau
das ist einer der zentralen Kritikpunkte von PRO ASYL seit Jahren. Auch eine Prüfung der Einhaltung von Qualitätsstandards von Anhörungen und Entscheidungen, die so etwas
verhindern müsste, findet im Bundesamt in der laufenden Arbeit nicht statt.
MANGELHAFTE AUFKLÄRUNG
Die Innenrevision behauptet, in 13 Prozent aller Afghanistan-Fälle sei auffällig gewesen, dass der Vortrag unglaubhaft gewesen sei. Das dürfte sich im Rahmen einer
summarischen Schnellprüfung gar nicht ohne weiteres ermitteln lassen. Die Unglaubhaftigkeit ist eine höchst subjektive Kategorie, bei der die Papierform allein nicht
ausreicht.
Erfahrungsgemäß glaubt das Bundesamt auch im Falle ablehnender Asylentscheidungen in vielen Fällen Afghanistanflüchtlingen kaum etwas, stellt aber auch keine vernünftigen
Fragen zur Aufklärung des Sachverhaltes – oftmals weil Anhörer*innen hierfür gar nicht die notwendige Länderkenntnis haben.
MÄNGEL LEGEN ENTSCHEIDUNGSPRAXIS FÜR AFGHAN*INNEN OFFEN
Dass im Rahmen der Ad-hoc-Prüfung bei Afghanistan die beiden Hauptkategorien »Vortrag unglaubhaft« und »Interner Schutz nicht hinreichend geklärt« sind, zeigt, dass die
sogenannte Plausibilitätsüberprüfung dem Hauptinteresse des Bundesamtes folgt, nämlich der politischen Einschätzung des Bundesinnenministers zuzuarbeiten, der ja bis
gestern an sichere Regionen in Afghanistan glaubte.
Tatsächlich werden beim Bundesamt entgegen aller Behauptungen im Prüfungsbericht unqualifizierte und unterbezahlte Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt.
HERKUNFTSLÄNDERLEITSÄTZE NICHT BERÜCKSICHTIGT
Ob sich die Entscheider des Bundesamtes an die Rahmenvorgaben der Chefetage in den Herkunftsländerleitsätzen halten, hat die Innenrevision ebenfalls geprüft. Bezüglich
Afghanistans war dies nur in 68 Prozent der Entscheidungen der Fall. Selbst wenn man berücksichtigt, wie freundlich oder zurückhaltend das Bundesamt mit der eigenen Arbeit
umgeht, wird also in einem Drittel der Fälle die Vorgabe des Hauses nicht eingehalten.
DOLMETSCHERPROBLEM NICHT AUSREICHEND UNTERSUCHT
Der Themenbereich Dolmetscher wurde von der Innenrevision nur unzureichend erfasst. Tatsächlich werden beim Bundesamt entgegen aller Behauptungen im Prüfungsbericht
unqualifizierte und unterbezahlte Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt, zum Teil auch für Sprachen, die sie nicht wirklich beherrschen, aber auch mit unzureichender
Kenntnis des Deutschen, in das sie wortgenau zu übertragen haben.
Die Prüfer*innen der Innenrevision interessierten sich offensichtlich nur für die Fälle, in denen Antragsteller aus Afghanistan oder Syrien einen Wechsel der Sprache
während der Anhörung wollten oder ein*e Dolmetscher*in wegen Verständigungsschwierigkeiten gewechselt wurde. Das Problem der Übersetzungsqualität bleibt über diesen
Blickwinkel hinaus eine schwere Hypothek des Bundesamtes.
UNZUREICHENDE DOKUMENTATION
Alle entscheidungsrelevanten Erkenntnisse aus der Anhörung sind in der Begründung der Asylbescheide einzelfallbezogen zu würdigen – so referiert es die Innenrevision
richtig. Und entschuldigt das Bundesamt gleich selbst: Da davon auszugehen sei, »dass die Dokumentation aus Beschleunigungsgründen bei positiven Ergebnissen kurz gehalten
wurde, ist das Ergebnis der Prüfung unter diesem Aspekt zu betrachten.« Dies ist keine wirkliche Entschuldigung, denn im Falle eines Widerrufsverfahrens zum Beispiel kommt
es auf die Begründung der Entscheidung durchaus an.
1
%
der Fälle wird beim BAMF nur qualitätsüberprüft.
KAUM QUALITÄTSUNTERSUCHUNGEN BEIM BAMF
Die Durchführung der Qualitätssicherung wird im Vier-Augen-Prinzip durchgeführt, behauptet die Innenrevision. Auf einer Kurzübersicht unterzeichnen die sogenannten
»Qualitätsförderer«. Es bleibt allerdings ihnen selbst vollkommen überlassen, ob und was sie sich kritisch anschauen. Eine Bundestagsanfrage hat schon im August 2016 das Ergebnis erbracht, dass lediglich ein Prozent der Entscheidungen wirklich qualitätsüberprüft
wird.
Auch Ablehnungen gehören dringend geprüft! An ihnen hängen menschliche Schicksale von Schutzbedürftigen, denen der Schutz aufgrund von Verfahrensfehlern versagt wurde.
SELBST LEICHT ERKENNBARE FEHLER NICHT KORRIGIERT
Die Innenrevision behauptet, beim Herkunftsland Afghanistan habe es in 80 Prozent der untersuchten anerkennenden Fälle eine Qualitätssicherung gegeben. Das kann nur eine
Pflichtübung gewesen sein, die bloße Einholung einer Zweitunterschrift. Es findet sich nicht die Spur einer Dokumentation der kontrollierten Inhalte, so der Bericht
selbst.
PRO ASYL hat dem Bundesamt immer wieder fehlerhafte Entscheidungen zugeleitet, bei denen es verwunderlich war, dass offenbar die Qualitätsüberprüfung im Bundesamt selbst
leicht erkennbare Fehler nicht festgestellt oder behoben hatte.
FALSCHE KONSEQUENZEN AUS DER REVISION
Das Bundesamt stellt ausdrücklich fest, dass »die verkürzte Schulung des Personal und der hohe Erledigungsdruck« als Ursache für die Probleme identifiziert werden. Die
Lösungsvorschläge fallen aber dürftig aus: gezielte Qualifizierungsmaßnahmen zu Anhörung, Bescheiderstellung und zur Dokumentation sowie verbindlichere Dienstanweisungen.
Das sind Empfehlungen, die PRO ASYL und viele Verbände schon lange vorbringen.
Wenn das Bundesamt nun aber nur die positiven Bescheide prüft, ignoriert es, dass handwerkliche Fehler höchstwahrscheinlich in ähnlicher Zahl auch bei Ablehnungen
auftreten. Auch diese gehören nun dringend geprüft, denn an Ablehnungen hängen menschliche Schicksale von Schutzbedürftigen, denen der Schutz aufgrund von
Verfahrensfehlern versagt wurde.
CSU und Freie Wähler wählen AfD-Kandidaten zu Verfassungsrichtern
Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet - und darf gleichwohl zwei ehrenamtliche Verfassungsrichter stellen? Was paradox klingt, wurde im Bayerischen Landtag
mit den Stimmen der CSU und Freie Wähler durchgewunken. Grüne und SPD votierten dagegen.Donnerstag, 25.01.2024
Trotz massiver Vorbehalte gegen von der AfD benannte Kandidaten hat der Landtag 15 ehrenamtliche Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gewählt. Für die
Wahl, die eigentlich eine Formalie ist, hatten alle Fraktionen das Recht, Kandidaten zu benennen. Abgestimmt werden musste im Block. Nach längeren Diskussionen stimmten am Mittwoch CSU und Freie
Wähler für die Liste, auf der auch zwei AfD-Kandidaten plus zwei Stellvertreter stehen – letztlich aus rechtlichen Erwägungen. Die AfD stimmte ebenfalls dafür, Grüne und SPD votierten dagegen mit
Nein.
Ausschlaggebend für die Zustimmung von CSU und Freien Wählern zu der einheitlichen Vorschlagsliste war die Sorge vor Rechtsunsicherheiten bei fehlenden Richtern und
damit letztlich die Sorge darum, die Arbeitsfähigkeit des höchsten bayerischen Gerichts zu erhalten.
CSU zeigt sich alternativlos
„Wir müssen die Regeln, die wir uns selbst gegeben haben und die sich von heute auf morgen auch nicht ändern lassen, einhalten“, sagte der parlamentarische
Geschäftsführer der CSU, Michael Hofmann, im Namen auch der Freien Wähler. „Das Ergebnis gefällt uns nicht. Aber wir können es uns nicht erlauben, dass die Menschen in Bayern zweifeln an der
ordnungsgemäßen Rechtsprechung in Bayern oder gar das Vertrauen in den Bayerischen Verfassungsgerichtshof als Verfassungsorgan verlieren.“ Eine Verfassungs- oder Rechtsprechungskrise sei wirklich
das Letzte, was man in dieser Zeit brauchen könne.
Dagegen spricht: Ehrenamtlichen Richtern kommt in der täglichen Praxis keine gewichtige Bedeutung zu. Eine gegenteilige Abstimmung hätte wohl kaum eine Justizkrise
ausgelöst.
Hofmann kündigte aber an, die Koalition wolle eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen anstoßen. „Demokratie muss wehrhaft bleiben und Regeln ändern, wenn sie
missbraucht werden können“, sagte der CSU-Politiker.
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Hans-Joachim Heßler, hatte dem Vernehmen nach in einem Schreiben an den Landtag vor „schwerwiegenden
verfassungsrechtlichen Unsicherheiten“ gewarnt, sollte der Landtag von der bisherigen Wahl-Praxis abrücken. Tatsächlich hätte das Gericht dann einen Weg finden müssen, mit zwei vakanten Stellen
oder einem Verzicht auf die gesamte Wahl umzugehen. Alle Wege wären laut Heßler mit deutlichen Risiken verbunden gewesen.
Zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode 2018 waren die beiden von der AfD benannten Kandidaten geräuschlos gewählt worden. Eine Änderung der gesetzlichen
Grundlagen für die Wahl der ehrenamtlichen Richter blieb in den darauffolgenden Jahren aus.