Das bestätigte Julia Schrader, Sprecherin des Verwaltungsgerichts Osnabrück, auf Nachfrage unserer Redaktion. Vier Verfahren waren nach Ablauf einer Frist rechtskräftig – die betroffenen Syrer sind seither offiziell als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannt. Und auch der fünfte Fall ist nun rechtskräftig.
Gericht kassierte BAMF-Entscheidung
Hintergrund: Das Verwaltungsgericht hatte am 5. Dezember 2016 eine Entscheidung des BAMF kassiert, wonach es Syrern lediglich subsidiären Schutz gewährt. Fünf Syrern aus seinem Bezirk (Landkreise Grafschaft Bentheim, Emsland, Osnabrück sowie Stadt Osnabrück) gewährte das Osnabrücker Gericht Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention – entgegen der Entscheidung und gängigen Praxis des BAMF (Az. 7 A 35, 36, 129, 169 und 388/16).
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OVG lehnt Antrag ab
Doch nur in einem Fall akzeptierte das BAMF die Entscheidung aus Osnabrück nicht und stellte einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg. Warum nur einer? „Das erklärt sich uns auch nicht und wundert uns auch“, sagt Schrader.
Am Donnerstag lehnte das OVG den Antrag ab, teilte dessen Gerichtssprecherin Andrea Blomenkamp auf Anfrage unserer Redaktion am Freitag mit (AZ 2 LA 19/17). Damit sind nun alle fünf Urteile aus Osnabrück rechtskräftig.
Vater floh aus Syrien
Der fünfte Fall betraf einen Mann, der aus Damaskus geflohen war. Fünf Jahre war der Syrer eigener Angabe zufolge beim syrischen Militär, darunter zwei Jahre als Berufssoldat. Nach seiner Zeit beim Militär habe er ein kleines Geschäft gehabt und neben einer Militärstation gewohnt. In einem nahe gelegenen Waldgebiet seien tagelang Menschen erschossen worden, hatte er berichtet. Fünfzig Leichen habe er entdeckt, wohl von der Regierung ermordet, vermutet der Vater. Danach floh er mit seiner Familie nach Deutschland. Vater und Sohn wurden auf ihrer Flucht von Frau und Tochter in der Türkei getrennt.
Das Verwaltungsgericht Osnabrück erkannte den Mann aus zwei Gründen als Flüchtlinge an (AZ 7 A 388/16). „Damit wird es für das BAMF schwierig, beide Gründe anzufechten“, sagte Schrader am Donnerstag – und sie sollte recht behalten.
1.: Rückkehrergefährdung
Der erste Grund sei die Rückkehrergefährdung. Die illegale Ausreise aus Syrien sowie sein Antrag auf Asyl in Deutschland führten zu einer „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, in Syrien als Oppositioneller betrachtet zu werden, sagt Schrader. Das könne „Folter oder Verschwinden“ zur Folge haben.
2.: Vorverfolgung
Als zweiten Grund führte die Kammer die Vorverfolgung an. Dieser Grund sei individueller, sagt Schrader. Weil er sich als Reservist entzogen habe, drohe dem Mann bei der Rückkehr eine Strafe. Zudem würde er aufgrund seiner mehrjährigen Militärerfahrung vermutlich als Reservist eingezogen, sagte der Syrer. Daher drohe die Gefahr, beim Militär an menschenrechtswidrigen Aktionen wie Erschießungen teilnehmen zu müssen.
Im Falle des Sohnes entschied das Gericht nicht, da die Klage zuvor zurückgezogen worden war. Doch inzwischen gewährt es auch Minderjährigen die Flüchtlingseigenschaft. Denn das Gericht ist der Ansicht, auch für Minderjährige gelte die Rückkehrergefährdung, sagt Schrader. In Syrien könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch sie zu Militäraktivitäten herangezogen würden.
Gericht bleibt bei seiner Linie
Das Osnabrücker Verwaltungsgericht werde wohl auch künftig klagenden Syrern weiterhin die Flüchtlingseigenschaft zugestehen, sagte Schrader bereits vor der Nachricht aus Lüneburg.
Mit den fünf Urteilen aus Dezember schloss sich das Osnabrücker Gericht vielen anderen Gerichten in Deutschland an, die Syrern ebenfalls Schutz nach der GFK gewährt hatten. Erst am 4. Januar dieses Jahres gestand das Verwaltungsgericht Oldenburg einem Syrer die Flüchtlingseigenschaft zu (Az. 2 A 5738/16).
OVG Schleswig gibt BAMF recht
Am 23. November vergangenen Jahres hatte bundesweit erstmals ein Oberverwaltungsgericht – das OVG Schleswig – die Praxis des BAMF auf lediglich subsidiären Schutz für Syrer bestätigt (Az. 3 LB 17/16). Es erkannte den Grund der Rückkehrergefährdung nicht an.
Kommentar: Kein voller Schutzstatus für Syrer – eine bittere Entscheidung
Wo ist der Unterschied?
Schutz nach der GFK oder nur der niedrigere subsidiäre Schutz? Von dieser Frage hängt für Flüchtlinge in Deutschland viel ab. Anerkannte Flüchtlinge dürfen vorerst drei Jahre im Land bleiben und ihre Familie nachholen. Syrer mit subsidiären Schutz dürfen vorerst nur ein Jahr bleiben, der Familiennachzug wird für mindestens zwei Jahre ausgesetzt.
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